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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

1.   Modelle bei der Strukturaufklärung – die Doppelhelix Als Chemiker wollen wir wissen, wie die Atome in einem Molekül angeordnet sind. Wir sind davon überzeugt, dass wir nur dann verstehen können, warum ein Molekül in bestimmter Weise reagiert, wenn wir seine Struktur kennen. Eines der bekanntesten Moleküle ist die Desoxyri- bonukleinsäure, DNS. Ihre Doppelhelixstruktur, in der die Erbinformation kodiert ist, kennt heute jedes Schulkind. Woher kennen wir die atomare Struktur dieses Moleküls? Woher wissen wir, wie die Phosphat- und zucker-Bausteine sowie die Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin in der Doppelhelix angeordnet sind? Die faszinierende Geschichte der Aufklärung die- ser Struktur durch James D. WATSON und Francis H. C. CRICK im Jahre 1953, die zusammen mit Maurice H. F. WILKINS dafür 1962 den Nobelpreis erhielten, hat WATSON in seinem Buch Die Doppelhelix beschrieben(WATSON 2001). Seit BRAGG ist die Beugung von Röntgenstrahlen die Methode zur Strukturbestimmung kristalliner Materialien. Sieht man sich jedoch das Beu- gungsbild einer DNS an(WILKINS 1963), ist offenkundig, dass man daraus nicht ohne weiteres die Anordnung der Atome ableiten kann. Man muss zunächst einen Strukturvorschlag haben, für den man ein Beugungsbild berechnen und mit dem experimentellen vergleichen kann. zwar war schnell klar, dass es sich um eine helikale Struktur handeln muss, aber um zu dem über- zeugenden Strukturvorschlag einer doppelten Helix mit den Basenpaaren zu gelangen, haben WATSON und CRICK viele Strukturmodelle entworfen, zunächst mit Papier und Bleistift. Um zu erkennen, ob die Teile wirklich zusammenpassten, wurden nach den aussichtsreichsten Ideen mannshohe Metallmodelle in der Werkstatt gefertigt. Mit Lot und Metermaß wurden dann die x, y, z-Koordinaten der Atome bestimmt und daraus das Beugungsbild berechnet. In seinem Nobelvortrag sagte WILKINS (1964): „It was clear that the X-ray studies of DNA needed to be completed by precise molecular model-building. In our laboratory we concentrated on ampli- fying the X-ray data. In Cambridge, Watson and Crick built molecular models.“2 Der Bau von Strukturmodellen ist bis heute ein unverzichtbarer Teil aller Methoden zur Strukturbestimmung geblieben, die der Chemiker zur Verfügung hat, nur dass die von WATSON und CRICK benutzte „hardware“ inzwischen durch „software“, Computerprogramme, ersetzt worden ist: Das ist das Thema dieses Beitrages. 2.   Molekülmechanik Eines dieser Computerprogramme, Tinker (PONDER 2010), leitet seinen Namen von den Tin- kertoys ab, einem Baukasten mit verschiedenen Elementen und Stäben zur Verknüpfung. In den auch noch heute benutzten Molekülbaukästen sind Bindungen gerade Stäbe fester Länge und Atome Kugeln mit Ansätzen für die Stäbe in festen Winkeln. Die Längen und Winkel sind Mittelwerte der gemessenen Werte für Bindungstypen und Atomtypen. Manche Strukturen lassen sich aber nur zusammenfügen, wenn man die Bindungen dehnt oder staucht, und die Bindungswinkel verkleinert oder vergrößert. Man müsste deshalb die Bindungen eigentlich durch Schraubfedern ersetzen, die man dehnen, stauchen und biegen kann. Das ist mit Com- puterprogrammen einfach zu realisieren. Jede Abweichung vom Standardwert der Bindungs- Quantenmechanische Modellierung – Einblicke in die atomaren Details chemischer Systeme Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 99–117 (2011) 101 2 Es war klar, dass die Röntgenanalyse durch die Entwicklung eines Molekülmodells ergänzt werden musste. Wir konzentrierten uns auf eine Erweiterung der Röntgenanalyse, während WATSON und CRICK in Cambridge an der Konstruktion eines Modells arbeiteten (WILKINS 1963).