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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

rung eine zumindest partielle Interpretation bereithalten. Diese sogenannte Inkrementelle Ana- lyse stellt eine besondere Herausforderung bei der Modellierung dar, weil der Redefluss zu- nächst häufig syntaktisch und semantisch in die Irre leiten kann. Wenn wir das Segment „Die Staatssekretärin lobt“ gehört haben, gehen wir aufgrund der Wahrscheinlichkeiten von Satz- konstruktionen im Deutschen zunächst davon aus, dass die Staatssekretärin als Subjekt des Satzes fungiert und erwarten als Nächstes die Angabe, wer von ihr gelobt wird. Wenn der Satz dann aber als „Die Staatssekretärin lobt der Ministerpräsident“ fortgesetzt wird, müssen wir „umdenken“ und nun den Ministerpräsidenten als Subjekt und die Staatssekretärin als Objekt des Satzes interpretieren. Die Notwendigkeit der Korrektur fehlerhafter Erstinterpretationen bei einer inkrementellen Sprachverarbeitung ergibt sich oft bei ungewöhnlichen Satzstellun- gen, die – wie im obigen Beispiel – zur besonderen Fokussierung eines Aussageteils durch Topikalisierung verwendet werden. Die größte Interpretationsunsicherheit bei der Computermodellierung von Sprachverhalten ergibt sich durch die vielfältigen Arten der Mehrdeutigkeit natürlicher Sprache (Abb. 5). So bleibt ohne weiteren Kontext bei einer Aussage wie „Wir telefonierten mit Freunden in Japan“ mehrdeutig, ob damit gemeint ist, dass wir in Japan mit Freunden telefonierten oder ob wir Freunde in Japan aus einem anderen Land angerufen haben. Eine solche Mehrdeutigkeit der Anbindung einer Präpositionalphrase wie „in Japan“ ist eine typische Form der syntaktischen Ambiguität, die nur unter Hinzuziehung weiterer Wissensquellen beim maschinellen Verstehen aufgelöst werden kann. Abb. 5 Übersicht zu wichtigen Formen der Mehrdeutigkeit natürlicher Sprache Abbildung 5 zeigt, dass es u. a. auch pragmatische Mehrdeutigkeiten wie bei der Äußerung „Es zieht“ gibt, wo ohne Kontext unklar ist, ob es sich um eine Aufforderung, die Zugluft zu verhindern, oder um eine reine Tatsachenbeschreibung handelt. Besonders schwierig und ohne zusätzliches Weltwissen meist unmöglich ist die Auflösung von semantischen Mehrdeutig- keiten im Bereich der natürlichsprachlichen Quantoren und ihrer Gültigkeitsbereiche, wie das in der Äußerung „Allen Studenten gehört ein Computer“ deutlich wird, wo unklar ist, ob ein einziger Computer allen Studenten gehört oder ob jeder Student einen eigenen Computer hat. Mit den Dingen sprechen: Autos, Roboter und Weinflaschen als Dialogpartner? Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 119–141 (2011) 125