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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

1.   Einleitung Dieser Vortrag befasst sich mit Forschung, die sucht, Strukturen und Prozesse des Lebens im Computer nachzubilden. Die Lebenswissenschaften sind aus verschiedenen Gründen eine be- sonders interessante Anwendungsdomäne für Computermodellierung. zum einen ist in den Lebenswissenschaften durch Computermodellierung bereits viel erreicht worden. zum anderen stellen die Lebenswissenschaften jedoch auch eine der größten Herausforderungen an die Computermodellierung dar. In dem ersten Abschnitt des Vortrages werden wir die Lebens- wissenschaften hinsichtlich der Eigenschaften charakterisieren, die die Möglichkeiten und Grenzen der Computermodellierung in ihrem Bereich bedingen. In den folgenden Abschnitten des Vortrages durchmustern wir dann von klein nach komplex (bottom up) die Hierarchien biologischer Systeme und beschreiben den Stand der Computermodellierung auf den entspre- chenden Hierarchieebenen. Ein Ausblick in zukünftige Forschung beschließt den Vortrag. zunächst definieren wir kurz die Grundbegriffe für diesen Vortrag: – (Computer-)Modell: Darunter verstehen wir eine mithilfe des Computers abgeleitete Struktur oder Berechnungsvorschrift, die wesentliche Aspekte eines betrachteten realen Systems, das wir in diesem zusammenhang auch als Entwurf bezeichnen, abbilden bezie- hungsweise vorhersagen kann. – Simulationsmodell: Das ist eine spezielle Form des Computermodells, nämlich ein Ab- laufmodell für einen zeitlich fortschreitenden Prozess. –    Visualisierung: Darunter verstehen wir eine Illustration wesentlicher Aspekte eines realen Systems mittels eines Computermodells mithilfe von stillen oder bewegten Bildern. In diesem Vortrag sind alle betrachteten Systeme beziehungsweise Entwürfe biologischer Natur. Der Vortrag enthält 19 Abbildungen. Die überwiegende Mehrzahl von ihnen sind Vi- sualisierungen von Computermodellen. Wir können grob zwei unterschiedliche Formen von Entwürfen unterscheiden. Die einen, die sogenannten „rationalen Entwürfe“, entstammen vor allem den Ingenieurdisziplinen und sind vom Menschen gemacht. Die anderen, die sogenannten „evolutiven Entwürfe“, sind von der Natur hervorgebracht worden. Rationale und evolutive Entwürfe unterscheiden sich in vieler Hinsicht grundsätzlich, und diese Unterscheidung ist wesentlich für die Möglichkeit, sie im Computer zu modellieren. Wir beschreiben die wesentlichen Unterschiede. Abbildung 1 illustriert die Gegensätze. Entwurfsressourcen: Ein rationaler Entwurf muss sich auf eng begrenzte Entwurfsressourcen stützen. So werden etwa Computerchips in wenigen Jahren mit Entwicklerteams von über- schaubarer Größe entwickelt. Die enge Begrenztheit von Entwurfsressourcen beim rationalen Entwurf hat bedeutende Konsequenzen für das Entwurfsergebnis. Der in Abbildung 1A dargestellte Computerchip hat beispielsweise bedeutend mehr als 10 Millionen Transistoren. Von diesen haben die Entwickler jedoch nur einen verschwindend kleinen Anteil explizit betrachtet. Fast alle Transistoren auf dem Chip entstehen durch Dupli- kation weniger Grundelemente auf der Basis einer klaren Entwurfshierarchie. Der evolutive Entwurf in der Natur entsteht dagegen über sehr lange zeiträume (Millionen bis Milliarden von Jahren) unter zuhilfenahme von großen Populationen. zwar treten auch hier umfangreiche Duplikationen auf – z. B. gibt es viele Kopien desselben Proteins in einer zelle – aber die Hierarchien sind nicht so klar strukturiert. Modularität gibt es nur in einge- Wie funktioniert das Leben? Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 11–44 (2011) 13