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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Abb. 10 Von einem Parser erstellte Syntaxanalyse mit rekursiven Einbettungen und Elision Da sich die Bedeutung komplexer sprachlicher Äußerungen – von idiomatischen Wendungen abgesehen – kompositionell und geleitet durch die syntaktische Struktur bestimmen lässt, ist das Ergebnis der Syntaxanalyse entscheidend für die Konstruktion einer semantischen Reprä- sentation einer Äußerung. Allerdings gibt es heute weltweit noch kein System, das alle (zu- mindest wohlgeformten) Äußerungen einer Person mithilfe von formalen Grammatiken bis ins Detail linguistisch korrekt analysieren kann. Man behilft sich in praktischen Anwendungen damit, in den Segmenten des Worthypothesengraphen, wo die detailgenaue grammatische Analyse z. B. mit einer HPSG-Grammatik versagt, eine grobe Phrasenstruktur zumindest ap- proximativ etwa mit einem Chunk-Parser oder statistischen Parser zu ermitteln (vgl. Abb. 8). Man spricht dann von hybrider Verarbeitung, in welcher eine tiefe syntaktische Analyse von Fragmenten einer Äußerung mit einer flachen Analyse der restlichen Segmente mithilfe ap- proximativer Verfahren kombiniert wird. Eine der klassischen Methoden zur Disambiguierung ist die Verwendung von Selektions- restriktionen und Weltwissen, wie folgendes einfache Beispiel veranschaulicht. Wenn ein Vater im künftigen Cyber-Restaurant dem Service-Roboter sagt: „Die Apfelschorle trinkt meine Tochter, die Weinschorle meine Frau“, dann führt die syntaktische Präferenz zunächst zu einer nicht sinnvollen Lesart wie trinkt (Agens: Apfelschorle, Objekt: Tochter) ^ trinkt (Agens: Weinschorle, Objekt: Frau). Wenn das System die Selektionsrestriktion trinkt (Agens: Mensch, Objekt: Getränk) auf das ontologische Weltwissen Apfelschorle, Weinschorle ä Ge- tränk und Tochter, Frau ä Mensch anwendet, wird die richtige Lesart des Eingabesatzes als trinkt (Agens: Tochter, Objekt: Apfelschorle) ^ trinkt (Agens: Frau, Objekt: Weinschorle) se- lektiert. Verbmobil war das erste Dialogübersetzungssystem, das neben Weltwissen auch den Kontext des vorausgehenden Satzes zur lexikalischen Disambiguierung und adäquaten Über- setzung nutzt. So wird nach „Nehmen wir dieses Hotel, ja?“ das Wort Platz in „Ich reserviere einen Platz“ mit room übersetzt, während nach „Gehen wir zum Abendessen“ das englische Wort table für Platz verwendet wird. Im Extremfall wird sogar die interne Systemuhr zur Äu- ßerungszeit herangezogen, wenn vor 13 Uhr der Eingabesatz „Lassen Sie uns zusammen Essen gehen“ mit „Let’s have lunch together“ und nach 17 Uhr als „Let’s have dinner together“ Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 119–141 (2011) Wolfgang Wahlster 130