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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Gesamtproteom einer Gram-positiven Bakterienzelle aus diesen vier Subproteomen zusam- mengesetzt werden. Wenn die Publikationen der ersten vollständigen bakteriellen Genomse- quenzen eine große Euphorie auslöste, so ist die vollständige Darstellung der „Spieler des Lebens“, der Proteine, der logische nächste Schritt, um einfache Lebensprozesse in ihrer Voll- ständigkeit zu begreifen. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass man das Leben der zellen mit all ihren Pro- teinen in einer nie vorher da gewesenen Vollständigkeit abbilden und verstehen kann (siehe BECHER et al. 2009, DE GODOy et al. 2008, MALSTRöM et al. 2009). Mit der Beantwortung der Frage, welche Proteine in welcher Menge in der zelle vor- kommen, ist allerdings nur der erste Schritt getan. Leben ist mehr als „die Summe der Pro- teine“. Nach der Synthese am Ribosom beginnt das eigentliche Leben in der zelle erst mit dem „Tanz der Proteine“: Die Proteine finden zueinander, indem sie zu Komplexen aggre- gieren und molekulare Maschinen oder ganze Stoffwechselaggregate bilden (siehe unter 6.), Proteine werden modifiziert und damit erst aktiv (beispielsweise phosphoryliert), sie werden vor schädigenden Agenzien geschützt (beispielsweise werden die reaktiven SH-Gruppen der Cysteine mit Glutathion oder Cystein verbunden), sie werden geschädigt und später re- pariert oder in hoffnungslosen Fällen gezielt abgebaut und damit nicht nur entsorgt, sondern „recycled“. Proteine enthalten auch alle Informationen, die ihnen vorgeben, in welche Kom- partimente sie transportiert werden, von der Membran über die zellwand bis in den extra- zellulären Raum. Dabei ist man mit der Proteomanalyse auch in der Lage, das Schicksal der Proteine von der Geburt am Ribosom bis zum Tode, etwa in der Clp-Maschinerie, proteom- weit zu verfolgen. Wenn man diese Proteomdaten noch durch die Gesamtheit der Genexpressionen, die man durch DNA-Chip-Technologien messen kann, oder durch die Gesamtheit der Metabolite, die im Metabolom zusammengefasst werden, komplettiert, dann wird man letzten Endes zu einer vollständigen Beschreibung und Abbildung der konkreten Lebensprozesse auf molekularer Ebene kommen können, die von dem Genom lediglich ihren Ausgang nehmen und die über das Transkriptom zum Proteom und Metabolom die konkreten Lebensprozesse sichtbar ma- chen. Alle diese Daten werden mit bioinformatischen und später auch mathematischen Me- thoden zu einer systembiologischen Gesamtbetrachtung der zelle geführt. Allerdings wird unter den „-omics“ die Proteomanalyse immer eine Schlüsselstellung behalten, weil nur sie sich mit den eigentlichen Hauptspielern des Lebens, den Proteinen, beschäftigt. 4.   Computergestützte Auswertung gelbasierter Proteomanalyse Bei der gelbasierten Proteomics ist die Identifizierung der einzelnen Proteine nur der erste Schritt. Um physiologische Analysen durchführen zu können, muss man verschiedene Vari- anten untersuchen, seien es Wildtypen und Mutanten, sei es die Einwirkung von umweltrele- vanten Stimuli auf den Organismus (Kontrolle und Variante) oder seien es zeitreihen, die eine kinetische Analyse erlauben. Hier müssen die Proteinmuster auf ganz verschiedenen Gelen miteinander verglichen werden, wofür eine Reihe von Firmen entsprechende Software-Pakete entwickelt hat. Im ersten Schritt kann man neu synthetisierte von bereits vorhandenen Proteinen getrennt analysieren. Das ist immer dann wichtig, wenn z. B. die schnelle Antwort der zelle auf die Einwirkung verschiedener Stimuli (z. B. Hunger- oder Stressfaktoren, Antibiotika und der- Von der Proteomanalyse zur Systembiologie bakterieller Modellorganismen Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 143–165 (2011) 153