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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

5.   Einige Anwendungen bakterieller Proteomanalyse Wie eben betont, werden mit Hilfe der gelbasierten Proteomanalyse keinesfalls alle Proteine der zelle sichtbar gemacht, dennoch ist es mit dieser Technik möglich, die wichtigsten zellu- lären Leistungen wie Stoffwechsel oder Stress- und Hungerantworten direkt abzubilden und zu verfolgen. Wenige Beispiele sollen die Leistungsfähigkeit der Technik illustrieren. Der Panoramablick der Proteomanalyse macht grundsätzliche Lebensstile bereits bekann- ter oder auch unbekannter Bakterien sichtbar. So haben chemolithotrophe Bakterien, wie das in Göttingen von Hans Günter SCHLEGEL und seinen Schülern sehr intensiv bearbeitete Bakterium Ralstonia eutropha, zwei Gesichter, eines, das allein von „Luft und Liebe“ lebt (d. h. mit ausschließlich anorganischen C-Quellen wie Kohlendioxid und anorganischen Elektronendonatoren wie Wasserstoff), und ein anderes, das auf herkömmliche organische C- und Energiequellen wie beispielsweise Succinat zurückgreift. In zusammenarbeit mit Bärbel FRIEDRICH haben wir die Proteome beider Lebensstile miteinander verglichen. Legt man die Proteome beider Facetten des Lebens übereinander, so kann man die Proteine, die für den lithotrophen Stil typisch sind (grüne Farbe), sehr einfach von denen, die für den or- ganotrophen Stil charakteristisch sind, unterscheiden (rote Farbe, gelb oder orange sind die Proteine gefärbt, die in beiden Lebensformen benötigt werden) (siehe Abb. 9, SCHWARTz et al. 2009). Neben Bakterien, deren Lebensweise man prinzipiell kennt, die man aber mit der Proteomanalyse in einer nie vorher dagewesenen Komplexität visualisieren kann, lassen sich auch Lebensprozesse von Bakterien voraussagen, über die man so gut wie nichts weiß. Der Endosymbiont von Riftiy pachoptyla, ein in 3000 m Tiefe im Pazifik lebender Wurm, ist ein chemolithotrophes Bakterium, das seine Energie aus der Oxidation reduzierter Schwefelver- bindungen bezieht und damit im sogenannten Trophosom den Wurm mit ernähren kann. Das Bakterium ist bisher im Laboratorium nicht zu kultivieren. Die einzige Chance, die Geheim- nisse dieses „verborgenen Lebens“ in 3000 m Tiefe aufzuklären, besteht darin, im Pazifik mit einem Unterseeboot Proben zu entnehmen, diese in ein Proteomlaboratorium wie unseres in Greifswald zu transportieren und hier mit der Proteomanalyse die Lebensweise dieser exoti- schen Bakterien zu erforschen. Auch hier macht das Proteom grundsätzliche Lebensprozesse sichtbar wie das parallele Vorkommen völlig unterschiedlicher CO2-Assimilierungswege oder die Tatsache, dass ein deutlicher Teil des zytosolischen Proteoms in die Schwefeloxidation von H2S bis zum Sulfat investiert wird (MARKERT et al. 2007). zurzeit arbeiten wir (Thomas SCHWEDER, Manuel KLEINER) mit dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bre- men (Nicole DUBILIER) darüber, Metaproteome von den fünf wichtigsten Symbionten des Mee- reswurmes Olavius algarvensis zu analysieren, um deren Interaktion mit dem Wirt zu verstehen (WOyKE et al. 2006). Ein zweites Anwendungsbeispiel ist der Infektionsbiologie entnommen. S. aureus ist ein pathogenes Bakterium, das mehr und mehr zur Bedrohung für die Menschheit wird, da es uns in eine präantibiotische ära zurückfallen lassen kann, wie weiter oben beschrieben. Der Pa- noramablick der Proteomanalyse macht auch hier nicht nur wesentliche Stoffwechselleistun- gen sichtbar (siehe BECHER et al. 2009), sondern bildet in einer nie vorher dagewesenen Vollständigkeit die in das extrazelluläre Milieu sekretieren Proteine ab, unter denen die wich- tigsten Virulenzfaktoren zu finden sind, darunter nicht nur in der Literatur lang bekannte, son- dern auch neue, die noch keiner gesehen hat. Damit besteht die reale Chance, Pathogenität von S. aureus in einer neuen, umfassenden Dimension zu verstehen. Von der Proteomanalyse zur Systembiologie bakterieller Modellorganismen Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 143–165 (2011) 157