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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Um die formale mathematische Analyse des Mutations-Selektionsproblems mit Leben zu er- füllen, stellen wir uns Anfangspopulationen mit beliebigen Verteilungen der Genotypen vor. Unter konstanten äußeren Bedingungen entwickeln sich diese Population durch Reproduktion, Mutation und Selektion, und nach hinreichend langer Zeit sind alle Populationen gleich ge- worden und verändern sich von außen gesehen nicht mehr. Man spricht von einem stationären Zustand, in dem sich die Veränderungen der relativen Konzentrationen durch korrekte Repli- kation, Mutation und Selektion gerade kompensieren, sodass von außen keine Änderung be- obachtbar ist. In einer asexuellen Spezies bildet diese stationäre Verteilung von Mutanten, die durch den Eigenvektor ξ0(t) bestimmte stationäre Population, das genetische Reservoir und wurde in Analogie zur Spezies bei sexueller Vermehrung Quasispezies genannt (EIGEN und SCHUSTER 1977). Die Ausbildung von Quasispezies wurde nicht nur bei In-vitro-Evolutions- experimenten mit RNA-Molekülen beobachtet, sie spielt auch eine vorrangige Rolle bei der Beschreibung und Analyse der Evolution von Viruspopulationen (DOMINGO 2006, DOMINGO et al. 2008). Durch das Auftreten von Mutanten in der Quasispezies kann die Population im stationären Zustand nicht mehr die maximale mittlere Fitness erreichen. Diese wäre nur in einer homogenen Population erfüllt, welche ausschließlich aus der Sequenz maximaler Fitness besteht, und es gilt daher limt→∞φ(t) < fm: Aus dem Darwinschen Optimierungsprinzip wird eine, wenn auch überaus wirksame Optimierungsheuristik. Die Häufigkeit von Mutationen hat einen entscheidenden Einfluss auf die Struktur der Quasispezies. Bei verschwindenden Mutationsraten wird gemäß der Selektionsgleichung die Variante mit der höchsten Fitness selektiert, und die Quasispezies ist eine homogene Popula- tion, bestehend aus diesem Genotyp, der als Mastersequenz charakterisiert wird. Im anderen Extremfall nehmen wir an, dass korrekte Replikation und Mutationen gleiche Wahrschein- lichkeiten aufweisen. Diese Zufallsreplikation führt dazu, dass im stationären Zustand alle Se- quenzen gleich häufig sind: Die Quasispezies besteht aus der Gleichverteilung. In der Realität Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 167–211 (2011) Peter Schuster 188 Abb. 4 Korrekte Replikation und Mutation als parallele chemische Reaktionen. Das replizierende Enzym, zum Bei- spiel Qβ-Replikase, bindet zuerst die Nukleinsäure und anschließend die aktivierten Bausteine, die während der Syn- these der Kopie eingebaut werden. Die Replikationskinetik wird (formal) in zwei Faktoren aufgeteilt: (i) der die Fitness bestimmende Geschwindigkeitsparameter fj und (ii) die Mutationshäufigkeit Qij. Der Prozess führt zu einer korrekten Kopie mit der Frequenz fj Qjj, für erfolgreicheVererbung muss Qjj Qij " i ∫ j erfüllt sein. Außerdem muss jede Kopie entweder korrekt oder fehlerhaft sein und daher gilt: . Die aktivierten Monomeren sind im Bild mit M bezeichnet. Qiji=1 n = 1