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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Grenzen: Schon bei Kettenlänge 10=l hat man für natürliche Oligonukleotide ein Eigenwert- problem 106 × 106 zu lösen, für binäre Sequenzen bleibt immerhin noch die Größe 1000 × 1000. Der letztere Fall ist mit den heutigen Computern und Algorithmen eine Routineangele- genheit, für den ersteren Fall muss man schon die Struktur der Matrix ausnützen, um mit den Ressourcen, Computerzeit und Speicherplatz das Auslangen zu finden. Für besonders einfache Verteilungen der Fitnessparameter, beispielsweise für die Single-Peak-Landschaft (Abb. 8), in welcher es nur zwei Fitnessparameter gibt, einen für die Mastersequenz und einen zweiten für alle anderen Sequenzen, nehmen alle Sequenzen, welche einen bestimmten Hamming- abstand dH von der Mastersequenz, Xm ≡ X0 haben, die gleiche stationäre Konzentration an und können daher zu einer Fehlerklasse Γk zusammengefasst werden: Γk: . [17] In Abbildung 6 ist als Beispiel die Abhängigkeit der Quasispezies auf einer Single-Peak-Land- schaft für eine Kettenlänge 100 = l gezeigt. In der Nähe der kritischen Mutationsrate pcr be- obachten wir drei unterschiedliche Phänomene (SCHUSTER 2010a): – eine Abnahme der stationären Konzentration der Mastersequenz auf einen sehr kleinen Wert; – eine völlige Umstrukturierung der Quasispezies in einem sehr kleinen Intervall Δp; und – einen übergang in die Gleichverteilung, obwohl der Wert der kritischen Mutations- rate noch weit vom Punkt der zufallsreplikation entfernt ist: pcr << , worin κ die zahl der Buchstaben im Nukleotidalphabet bedeutet – für natürliche Nukleinsäuren gilt κ = 4. Interessanterweise stellt sich heraus, dass die mit der nullten Näherung berechnete Fehler- schranke fast genau mit dem aus den numerischen Rechnungen auf einer Single-Peak-Land- schaft abgeleiteten Wert übereinstimmt. Eine exakte Lösung der Quasispezies auf einer Single-Peak-Fitnesslandschaft kann mit Hilfe von Methoden aus der statistischen Mechanik von Polymeren erhalten werden (GALLUCCIO 1997). Bei Fehlerraten jenseits der Fehler- schwelle, > p > pcr, entspricht die stationäre Mutantenverteilung der Gleichverteilung. Für Moleküle der Kettenlänge l = 100 hätte dies zur Konsequenz, dass alle 4100 ~– 1,6×1060 Sequenzen in gleicher Menge vorhanden sein müssten. Bei dem Minimum von einem Molekül pro Sequenz entspräche dies einer Populationsgröße von 1,6×1060 , die gegenüber den größten Proben mit etwa 1015 RNA-Molekülen überastronomisch ist. Jenseits der Fehlerschwelle kann daher die Quasispezies nicht realisiert werden, man beobachtet an ihrer Stelle Populationen, welche im Raum der Sequenzen driften (siehe auch Abschnitt 5.2.3). Für Genetik und Evolution hat das Fehlen einer stationären Lösung eine unmittelbare Konsequenz: Es gibt keine längerfristige Vererbung von Nukleinsäuresequenzen. Optimie- rung von Eigenschaften ist höchstens auf der Ebene der Phänotypen möglich, wenn viele Genotypen die gleiche Fitness aufweisen und daher gegenüber Selektion neutral sind (Ab- schnitt 5.2.3). Quasispezies und Fehlerschranke haben eine weit über die In-vitro-Evolution hinausge- hende Bedeutung. Insbesondere haben die Konzepte in die Virologie Eingang gefunden und werden für die Entwicklung neuer antiviraler Wirkstoffe angewendet (DOMINGO 2005, 2006, Mit Mathematik und Computer auf Entdeckungsreisen in der Evolutionsbiologie Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 167–211 (2011) 191 ! Xi " GkiffdH Xk , X0( ) = k{ } ! y0 (0) p( ) = x0 (0) !˜p =k"1 ! yk p( ) = xi p( )i=1,Xi "Gk # !˜p