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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

DOMINGO et al. 2008)15 . Hier sei noch auf einen empirischen Befund hingewiesen, der zeigt, dass das über die Fehlerschranke hergeleitete Produkt aus Genomlänge und spontaner Muta- tionsrate, μ = pl, konstant und für eine bestimmte Klasse von Organismen charakteristisch ist (Tab. 1). Die Werte variieren von etwa einer Mutation pro Replikation bei RNA-Viren über eine Mutation pro zehn Replikationen bei Retroelementen bis zu einer Mutation in 300 Re- plikationen bei Bakterien und höheren Organismen. 5.2.2 Realistische Fitnesslandschaften Das Konzept einer Fitnesslandschaft geht zurück auf Sewall WRIGHT, einen der drei Begründer der Populationsgenetik. Er illustrierte u. a. den evolutionären Optimierungsprozess mit der einfachen Metapher eines Wanderers in einer bergigen Landschaft, der nicht bergab gehen kann (WRIGHT 1932, 1988): Werte für die Fitness einzelner Genotypen sind aufgetragen über einem Raum aller Genotypen, wodurch eine Art Landschaft entsteht. Der Abstand zwischen zwei Genotypen entspricht ihrer genetischen Distanz, und dies bedeutet, dass verwandte Ge- notypen einer Art im Raum der Genotypen einen Cluster bilden. In Sinne der Darwinschen Theorie besetzen Arten durch die Selektion bedingt lokale Optima auf der Evolutionsland- schaft. WRIGHTS Metapher wurde heftig kritisiert, insbesondere von FISHER, der ins Treffen führte, dass zwei Annahmen unzutreffend wären: – die Unabhängigkeit der Fitnesswerte von der Population und – die zeitliche Invarianz der Fitnesslandschaften. Neben FISHERS Kritik war es die empirische Unzugänglichkeit von Fitnesswerten, die das Konzept Fitnesslandschaft bis in die 1980er Jahre zum reinen Illustrationsbeispiel degradierte. Erst mit dem zunehmenden Wissen von Molekularbiologie und Biophysik änderte sich die Mit Mathematik und Computer auf Entdeckungsreisen in der Evolutionsbiologie Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 167–211 (2011) 193 14 Retroelemente sind Retroviren und Retrotransposons, DNA-Organismen sind DNA-Viren und Bakterien sowie Saccharomyces cerevisiae (Hefe) und Neurospora crassa (Schlauchpilz). Bei den höheren Eukaryoten bezieht sich der Wert von μ auf eine zellteilung und die effektive Genomgröße, welche jene Teile des Genoms ausklammert, in denen fast nur neutrale Mutanten vorkommen (die tatsächliche Genomgröße ist in Klammern angegeben). 15 Eine vor drei Jahren begonnene Diskussion, ob der Effekt der Erhöhung der Mutationsrate durch antivirale Pharmaka durch überschreiten der Fehlerschwelle oder durch letale Mutagenese – ‚lethal mutagenesis‘ (BULL et al. 2005, 2007) – beschrieben wird, ist im Grunde genommen überflüssig, wenn man die kinetische Mutations-Selektions- gleichung korrekter Weise auf eine abnehmende, d. h. zeitlich variierende Populationsgröße anwendet. Tab. 1 Genomlängen und Mutationsraten für verschiedene Klassen von Organismen (DRAKE 1993, DRAKE et al. 1998, DRAKE und HOLLAND 1999). Mit kB wird die Einheit eine Kilobase = 1000 Nukleotide abgekürzt. Die Muta- tionsrate μ ist der Mittelwert aus den Produkten Genomlänge × Mutationsrate p. Klasse Genomlänge l (kB) Mutationsrate p Mutationsrate μ RNA-Viren 4,2 – 13,6 7,3×10–5 – 1,5×10–3 0,67 Retroelemente 14 5,9 – 9,2 3,3×10–6 – 2,4×10–5 0,1 DNA-Organismen 6,4 – 42×103 7,2×10–11 – 7,2×10–7 0,0034 Höhere Eukaryoten 1,8×107 – 8,0×107 5,0×10–11 – 2,3×10–10 0,0033 (8,0×107 – 3,2×109 )