Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

wusstsein repräsentiert wird, und die zentrale Frage ist, wie es unser Gehirn schafft, dieses „Etwas als Etwas“, das als Seiendes gegeben ist, zu konstruieren. Damit ist auch das platoni- sche Konzept der „Selbigkeit“ angesprochen; diese „Selbigkeit“ denken zu können, setzt vor- aus, dass es „Verschiedenheit“ gibt, womit man zu einer zentralen Frage der Hirnforschung gelangt, wie nämlich Unterschiede von Erlebnissen wie Wahrnehmungen im menschlichen Gehirn überhaupt bestimmt werden können. Wie ist es möglich, Gesichter zu unterscheiden, oder unterschiedliche Gerüche, Sprachlaute oder Denkinhalte zu erkennen? Die platonischen Kategorien von Ruhe und Bewegung werden von der psychologischen Forschung insofern behandelt, als man unterschiedliche Prozesse des Bewegten und des Stationären feststellt (PöP- PEL et al. 1973, 2010). Ohne dass sich der moderne Forscher auf PLATO beziehen muss, wird hier deutlich, dass eine introspektive Betrachtung dessen, was in unserem Bewusstsein vorgeht, zu ähnlichen Kategorien führt, was Vertrauen in die Verlässlichkeit der Denkwerkzeuge über die zeiten hinweg stiften sollte. Eine ausführlichere Liste von Kategorien wurde von ARISTOTELES gegeben, und seine zehn Kategorien stellen einen pragmatischen Rahmen bereit, der auch heute noch für die empirische Forschung nützlich ist. Etwas Gegebenes, die Substanz, ist gekennzeichnet durch das, was es ist; dies stellt wiederum die Frage nach der Identität des Wahrgenommenen oder des Gedach- ten. Was immer gegeben ist, ist durch Quantität und Qualität gekennzeichnet, also in einer be- stimmten Intensität repräsentiert, aber auch durch Verschiedenheit gekennzeichnet. In der Tradition der Psychologie spielt die „Psychophysik“ eine entscheidende Rolle,3 wie sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde, und hier ging es im Wesentlichen darum, eine Relation (die vierte aristotelische Kategorie) zwischen der Intensität, also der Quantität, phy- sikalischer Reize und deren subjektiver Repräsentation herzustellen. Hierbei musste notge- drungen die dritte aristotelische Kategorie, nämlich der qualitative Unterschied zwischen Dingen oder Sachverhalten, vernachlässigt werden. Die weiteren Kategorien des ARISTOTELES sind Ort und zeit, dass also Gegebenes immer irgendwo und irgendwann ist. Es ist bemerkenswert, dass in der modernen Forschung sehr viel Energie auf die Kategorie des Ortes gelegt wird,4 während die Kategorie der zeit ver- nachlässigt wird.5 Weitere Kategorien sind bei ARISTOTELES die Lage, das Haben, das Tun und das Erleiden, wobei die Letztgenannten einen sehr viel stärkeren Ich-Bezug haben. Dies bildet sich in der modernen Psychologie insofern ab, als dass manche Forscher sich stärker auf „die Welt um uns“ konzentrieren, und wie diese im Bewusstsein repräsentiert ist (mit Bezug auf die erstgenannten aristotelischen Kategorien), während andere Forscher stärker an „der Welt in uns“ arbeiten. Insbesondere die Kategorie des „Tuns“ ist neuerdings von besonderer Wich- tigkeit, dass man nämlich das Mentale aus der Aktion oder dem Handeln heraus zu deuten versucht (PFEIFER und BONGARD 2007). Auch die aristotelischen Kategorien lassen erkennen, dass es wenig Neues unter dem Himmel gibt, dass also bereits in der antiken Philosophie jene Themen benannt wurden, die noch heute „handlungsleitend“ sind, ohne sich jeweils explizit darauf zu beziehen. Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 213–233 (2011) Ernst Pöppel und Eva Ruhnau 218 3 BORING 1933, FECHNER 1860, HELSON 1964, VON HELMHOLTz 1896, STEVENS 1986. 4 BAO und PöPPEL 2007, CHEN 2005, KOHLER 1951. 5 HEIDEGGER 1927, PöPPEL 1971, 1997, 2009, PöPPEL und RUHNAU 1998, RUHNAU 1997, RUHNAU und PöPPEL 1991.