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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Welt aus, und untersucht, wie sich Sachverhalte der so beschriebenen Welt in der subjektiven Erfahrung widerspiegeln (STEVENS 1986). Eine implizite Annahme dieses Modells ist natür- lich, dass sich „die Welt um uns“ mit physikalischen Regeln vollständig beschreiben lässt. Eine weitere Annahme ist, dass sich auch das psychische Repertoire nach diesem Verfahren vollständig beschreiben lässt. Für beide Annahmen des psychophysischen Modells gilt, dass sie natürlich nicht tragfähig sind, was aber über die Fruchtbarkeit dieses Modells nicht hinweg täuschen sollte. In der Tat konnten außerordentlich interessante psychophysische Gesetze formuliert wer- den, die in dem „Potenzgesetz“ gipfelten. Auf die Fruchtbarkeit dieses und eines weiteren Ge- setzes sei besonders hingewiesen. Ein Begründer der Psychophysik war Gustav Theodor FECHNER (1860), nach dem sogar ein Gesetz benannt wurde, dass nämlich die Intensität einer Empfindung dem dekadischen Logarithmus einer physikalisch bestimmbaren Reizintensität entspricht. Worauf es uns hier aber besonders ankommt, ist eine seiner theoretischen Annah- men, dass nämlich Psychisches sich quantitativ in dem Sinne beschreiben lässt, dass die Stärke einer Wahrnehmung sich aus der Addition elementarer psychischer Quanten ergibt. Die Bau- steine des Seelenlebens sind also diskrete Elemente, die jeweils aus dem Fluss der sensorischen Reizung extrahiert werden, und die dann additiv verbunden werden. Dies mag zunächst ver- wunderlich erscheinen, doch zeigen moderne Ergebnisse insbesondere im Bereich der zeitli- chen Verarbeitung von Reizen, dass diese nicht kontinuierlich erfolgt, sondern quantisiert mit diskreten Verarbeitungsschritten.7 Dieses Problem, ob Informationsverarbeitung im Gehirn ein kontinuierlicher oder ein zeitlich diskreter Prozess ist, ist durch die Psychophysik begrün- det worden und bisher nicht hinreichend beantwortet. Besonders hervorheben muss man vor allem das Potenzgesetz der Psychophysik, das uni- verselle Bedeutung hat, und bei dem man von einem „Wunder der Natur“ sprechen kann. Die- ses Gesetz besagt, dass jedes psychische Erleben, das sich nach Intensität skalieren lässt, und dies gilt für nahezu alles, was psychisch repräsentiert ist, sich durch eine sehr einfache ma- thematische Formel beschreiben lässt: Die psychische Intensität ist proportional der physika- lischen Intensität eines Reizes hoch einem empirisch zu bestimmenden Exponenten (STEVENS 1986). Wenn man dieses Gesetz umformuliert, um die Aussage dann graphisch einfacher dar- stellen zu können, gilt: Der Logarithmus einer psychischen Intensität ist proportional dem Lo- garithmus einer physikalischen Intensität multipliziert mit dem empirisch bestimmten Faktor, der im Potenzgesetz dem Exponenten entsprach. Bei der graphischen Darstellung in einem doppelt logarithmischen Koordinatensystem zeigt sich nun, dass alle Beziehungen sich als Geraden ausdrücken lassen, die sich nur durch den Steigungswinkel unterscheiden, und dieser Steigungswinkel liegt für alle bisher gemessenen Funktionen zwischen 0.3 und 3; der Faktor 0.3 gilt beispielsweise für die Beurteilung von Helligkeit, der Faktor 3 für die Beurteilung von Schmerz. Dieses Gesetz zeigt, dass es auch in der Psychologie mathematisch formulierte Ge- setze gibt. Hinzuzufügen ist jedoch, dass sie nur einen Teilbereich des Psychischen erfassen. Die wesentliche Einschränkung dieser Modelle ist, dass sie offenkundig den qualitativen Aspekt psychischen Erlebens vernachlässigen müssen. Sie sind im eingangs genannten Sinne von CARNAP einfach, und damit ist diese Modellforderung erfüllt, aber hier gilt auch eine War- nung von Albert EINSTEIN, dass sie auch „zu einfach“ sein können. Psychologie als eine auf Modelle angewiesene Angelegenheit ohne Taxonomie – eine Polemik Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 213–233 (2011) 221 7 ATMANSPACHER und RUHNAU 1997, BAO et al. 2010, MADLER und PöPPEL 1987, MATES et al. 1994, PöPPEL 1970, 2009, PöPPEL et al. 1990, RUHNAU 1997, RUHNAU und PöPPEL 1991.