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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

logie und Neurowissenschaften, dass es neben dem expliziten Wissen weitere Wissensformen gibt, nämlich das implizite und das bildliche Wissen, die für das Verständnis des Psychischen mindestens genau so wichtig sind (PöPPEL und BAO 2010). Nicht alles im menschlichen Erle- ben bildet sich explizit in der Sprache ab; man kann sogar argumentieren, dass dies eher der geringere Anteil des menschlichen Seelenlebens ist. Beispielsweise zeigen Studien zum epi- sodischen Gedächtnis, wie wichtig bildliche Erinnerungen im menschlichen Erleben sind, etwa im Hinblick auf die Konstruktion der personalen Identität und ihres Erhalts, doch der Inhalt dieses piktoralen oder allgemeiner sensorischen Gedächtnisses entzieht sich meist der präzisen sprachlichen Abbildung. Entsprechendes gilt für das implizite Wissen, das häufig handlungsbestimmend ist, aber nicht der bewussten Kontrolle unterliegt. Häufig gilt der Satz: „Ich weiß nicht, dass ich weiß“ (PöPPEL 2006). 6.   Phänomenologische Modelle In philosophischen Diskursen wird unter anderem die Frage erörtert, was eigentlich Merkmale des Mentalen sind (SEARLE 1992), und als Antwort werden auf der Grundlage einer phäno- menologischen Analyse solche Charakteristika genannt, wie: Mentales ist bewusst, intentional (jeweils auf Inhalte bezogen), kausal (in die Welt hinein wirkend), sozial (auf andere bezogen), antizipativ (ziele vorweg nehmend und auf deren Erfüllung warten könnend), und manches andere mehr, aber Mentales ist vor allem subjektiv. Jeder psychische Akt ist immer an eine Person gebunden, und es gibt keine Möglichkeit, trotz aller empathischen Versuche, in das Subjektive eines anderen Menschen einzudringen. Insofern ist jedes Individuum eine Beson- derheit, und auf Grund der hohen Komplexität der molekularen und neuronalen Prozesse in einem individuellen Gehirn damit eine Singularität im Universum. Wenn dem so ist, verbietet sich dann nicht zwangsläufig der Versuch, allgemein gültige Modelle zu formulieren oder gar eine Taxonomie des Mentalen zu entwickeln, die über die Individualität hinausweisen? Es muss immer einen unerklärbaren Rest geben, wenn man von dieser Ebene der Betrachtung ausgeht. Dennoch kann man versuchen, von dieser Tatsache zu abstrahieren, denn andererseits gilt auch, dass Menschen trotz aller individuellen Ausprägungen sich in vielen Merkmalen entsprechen. Offenbar gibt es neben individuellen Spezifika anthropologische Universalien, die für alle Menschen gelten, denn sonst wäre von vorneherein jegliche Art der Kommunika- tion unmöglich. Im kommunikativen Akt beziehen sich verschiedene Menschen auf den glei- chen Sachverhalt, was voraussetzt, dass man im psychischen Repertoire eine gemeinsame Perspektive teilt. Dass es solche gemeinsamen Bezüge gibt, lässt sich mit den verschiedenen phänomenolo- gischen Modellen deutlich machen. Hierbei kann man aus dem Rahmen der psychologischen Forschung heraustreten und in andere soziale Welten eintauchen (RUHNAU et al. 2000). Eine solche andere Welt ist beispielsweise die ökonomie, und man kann sich fragen, welche Land- karten der Bedürfnisse es eigentlich gibt (PöPPEL 2010). Man prüft bei einem solchen ökono- mischen Modell, was es alles gibt, was zur Befriedigung der Bedürfnisse beiträgt und erhält somit einen Katalog dessen, was Menschen brauchen, oder glauben zu brauchen, und was sie bewegt. Hierbei zeigt sich dann, dass es Hierarchien von Bedürfnissen gibt, mit jenen an der Basis, die grundlegende biologische Bedürfnisse repräsentieren. Es ist das ökonomisch moti- vierte Handeln, das zu einem phänomenologischen Modell führt, und überspitzt kann man sagen, dass der Aufbau eines Kaufhauses die Struktur eines psychologischen Modells wiedergibt. Psychologie als eine auf Modelle angewiesene Angelegenheit ohne Taxonomie – eine Polemik Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 213–233 (2011) 223