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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

eine explizite Modellierung anbieten, wie es beim psychophysischen Modell der Fall ist. Man kann aber auch versucht sein, in diesem Fall ein zirkuläres Argument zu vermuten, dass näm- lich aus Gründen möglicher Modellierung eine Reduktion im Bereich des Phänomenalen vor- genommen wird. Die Forderung nach der „Einfachheit“ von Modellen ist wohl in allen Fällen gegeben, wobei man allerdings zugestehen muss, dass in wohl allen Fällen die Modelle zu einfach sind. Aufgrund der gewählten Perspektive werden jeweils Bereiche des Phänomenalen ausgeschlossen, was zu einer natürlichen Beschränkung der Betrachtung führt. Typische Bei- spiele für zu einfache Modelle sind das linguistische oder das psychoanalytische Modell; in dem einen Fall wird eine isomorphe Abbildung des Psychischen in Sprache vermutet; im an- deren Fall wird das Psychische auf nur drei Schichten reduziert. Eine weitere Forderung war die nach der Exaktheit, und hier versagen nahezu alle Modelle in der Psychologie mit Aus- nahme des psychophysischen Modells, das in mathematischer Sprache eine Beziehung zwi- schen physikalischen und psychischen Intensitäten beschreibt.Aber vielleicht ist es auch zuviel verlangt, in der Psychologie Modelle einzusetzen, die den genannten Forderungen entsprechen. Vielleicht kommt es nur auf die vierte Forderung an, dass nämlich Modelle fruchtbar sein sol- len. Wenn ein Modell zum Denken anregt, wenn sich experimentelle Voraussagen formulieren lassen, wenn die Kreativität gefördert wird, dann hat ein Modell bereits seine Aufgabe erfüllt. Eine besondere Bedeutung räumen die Autoren dem neuropsychologischen oder Komple- mentaritätsmodell ein, auch wenn hier die kritischen Forderungen nach Einfachheit, Exaktheit oder ähnlichkeit nur bedingt erfüllt sein können. In diesem Modell lassen sich zahlreiche Aspekte der anderen Modelle wieder finden, sodass ihm eine integrative Bedeutung zukommt. Dieses Modell basiert auf dem philosophischen Modell des pragmatischen Monismus oder empirischen Realismus. Es entspricht dem ethologischen und auch dem evolutionären Modell, als dass angenommen wird, dass im Laufe der Evolution spezifische Selektionen zur Ausprä- gung des psychischen Repertoires geführt haben, die neuronal implementiert sind. Argumen- tiert wird hier so, dass nur das, was sich selektiv auf der Grundlage von Mutationen herausgebildet hat, auch verloren gehen kann. Der besondere Reiz dieses Modells besteht aber darin, dass das Konzept der „Komplementarität als generatives Prinzip“ eingeführt werden muss. Psychische Prozesse lassen sich nur analysieren, wenn man sich bei deren Betrachtung von einer monokausalen Denkweise löst, also alles aus nur einem Prinzip erklären zu wollen, und wenn man eine notwendige Wechselbeziehung, insbesondere zwischen den Inhalts- und den logistischen Funktionen, bei der Erzeugung dessen berücksichtigt, was man das Psy- chische nennt, und was zu Beginn dieser Betrachtungen als die Suche nach dem „Bestimmten“ bezeichnet wurde. Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 213–233 (2011) Ernst Pöppel und Eva Ruhnau 230