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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

5.2 Neuro-basierte Untersuchungen zur Gebrauchstauglichkeit (Neuro-Usability) Bei der Entwicklung neuer oder der Verbesserung existierender Produkte spielen Untersu- chungen zu Aspekten der Benutzerfreundlichkeit oder Gebrauchstauglichkeit („usability“) eine wesentliche Rolle. üblicherweise werden Usability-Studien durchgeführt, um zu messen, inwieweit ein Produkt seinen vorgesehenen zweck in Bezug auf Effektivität, Effizienz und Benutzerzufriedenheit erfüllt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, den Spaß an der Nutzung („joy of use“) zu quantifizieren. Effektivität und Effizienz können in der Regel objektiv ge- messen werden, z. B. dadurch, ob und wie schnell eine Aufgabe durch den Nutzer erfüllt wer- den kann; andere Variablen sind jedoch weniger einfach messbar – insbesondere psycho- logische Variablen sind nur schwer bewusst abrufbar. Weiterhin ist das ziel von Usability-Studien eine kontinuierliche Akquisition der Usa- bility-Parameter zu gewährleisten, ohne dass die zu untersuchende Handlung der Nutzer durch eine Befragung gestört wird. Daher könnte die BCI-Technologie ein wichtiges künftiges Werk- zeug solcher Studien werden, und wir wollen dies an einem Beispiel diskutieren (KOHLMORGEN et al. 2007). Es soll die Usability von neuer zusatzausstattung im Auto durch die mentale Ar- beitsbelastung des Nutzers gemessen werden. Im Falle einer elektronischen zusatzausstattung sollte der Hersteller demonstrieren können, dass das neue Gerät den Fahrer bei seiner Fahr- aufgabe unterstützen kann und nicht ablenkend wirkt, mit anderen Worten, dass die Belastung des Fahrers durch Benutzung des Fahrerassistenzsystems nicht steigt. Sollte ein Hersteller an- geben, dass die Fahrerbelastung sinken würde, beispielsweise bei Nutzung einer automatischen Abstandskontrolle, dann sollte dies so objektiv wie möglich und bezüglich der Fahraufgabe so wenig störend wie möglich erfolgen. (Vgl.: Clip auf DVD → MüLLER et al. → Fahreras- sistenzsystem.) Da die wahre kognitive Belastung des Fahrers jedoch nicht bekannt ist, wurde zu Studien- zwecken das experimentelle Design so gewählt, dass der Fahrer kontrolliert einer zusatz- belastung ausgesetzt wurde (KOHLMORGEN et al. 2007). Das EEG von 12 männlichen und 5 weiblichen Probanden wurde gemessen, während diese auf der Autobahn mit 100 km/h fuhren (primäre Aufgabe). zusätzlich mussten die Probanden eine auditorische Reaktionszeitaufgabe bearbeiten: Einer von zwei Knöpfen, die am rechten und linken zeigefinger befestigt waren, musste nach einem akustischen Stimulus alle 7,5 s gedrückt werden. Als Drittaufgabe wurden zwei verschiedene mentale zustände gewählt: (1.) Kopfrechnen, und (2.) Hörverstehen von zwei simultanen Hörfunkübertragungen. In einer initialen Kalibrationsphase wurde der BBCI- Detektor zur Messung der kognitiven Belastung (workload) an den individuellen Fahrer an- gepasst. Danach war das BCI-System in der Lage, die kognitive Belastung des Fahrers in Echtzeit kontinuierlich zu messen. Diese Information wurde in einer Testphase dazu genutzt, die auditorische Reaktionsaufgabe immer dann abzuschalten, wenn eine hohe kognitive Fahrerbelastung detektiert wurde. Als Ergebnis dieser Benutzer-adaptierten Abschaltung war die Reaktionszeit in der Testphase im Mittel um 100 ms schneller als in der Kalibrationsphase (ohne eine solche Adaption). Da die kognitive Belastung in beiden Phasen gleich war, kann daraus geschlossen werden, dass der Reaktionszeitunterschied durch die adaptive Abschaltung bei Erkennung von hoher Fahrerbelastung zu erklären ist. Es ist anzumerken, dass die starke Variabilität der Nutzer, die sonst eine Herausforderung für BCI-Systeme ist, an dieser Stelle als Vorteil angesehen werden kann: Bei Neuro-usability-Studien können Top-Probanden auf- grund der guten Detektierbarkeit ihrer Hirnzustände selektiert werden. Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 235–257 (2011) Klaus-Robert Müller, Benjamin Blankertz, Michael Tangermann und Gabriel Curio 250