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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

bzw. die Einbettung des BCI in das Computerspiel ein imperfektes BCI-Steuersignal kom- pensieren muss. Mit anderen Worten, sei die BCI-Klassifikationsrate 95 %, dann sollte das Spiele-Interface robust genug sein, die 5 % unvermeidbaren Fehler zu korrigieren. Tetris, ob- wohl es bereits durch das BBCI als Mix zwischen motorischen (links versus rechts) und ko- gnitiven Hirnzuständen (mentale Rotation) gesteuert wurde, ist ein Beispiel für ein Spiel, in dem kleine Fehler den Spielverlauf signifikant verschlechtern können; somit ist es eher als ungeeignetes BCI-Spiel einzustufen (KREPKI et al. 2007a, b). Kürzlich konnte ein mechanischer Flipper mittels BBCI gesteuert werden (TANGERMANN et al. 2008). Dies ist einerseits als Demonstrator für die erreichbare Geschwindigkeit und zeit- liche Präzision von nichtinvasiven BCI-Systemen zu sehen; andererseits definiert der Flipper eine exzellente Umgebung außerhalb des Labors, in dem der Proband ganz in die virtuelle Welt der Spiele eintaucht. Das Szenario erlaubt es unter anderem, Studien durchzuführen, in denen das Timing der Reaktion und die Dynamik der Hirnantwort kontrolliert untersucht wer- den können. Somit sind neuartige BCI-Computerspiele einerseits ein interessanter Selbst- zweck, zum anderen definieren sie aber auch für die Anwender (und den Experimentator) hoch abwechslungsreiche lebensnahe experimentelle Umgebungen. (Vgl.: Clip auf DVD → MüLLER et al. → Flippersteuerung.) Die heute verfügbare EEG-Sensortechnologie sowie ihr hoher Preis stellen im Moment ein wesentliches Hindernis für die Breitennutzung durch Gesunde dar. Sollten jedoch in der Qualität vergleichbare, günstige und kontaktgelfreie EEG-Kappen auf den Markt kommen, die auch ein ansprechendes Design aufweisen (beispielsweise in Form von Baseballkappen), dann stünde einer Vermarktung mit einem breiten Anwendungsspektrum nichts im Wege. 6.   Diskussion: invasive und nichtinvasive BCI-Systeme Invasive BCI-Systeme verwenden zum Beispiel intrakortikal implantierte Chips mit ca. 100 Mikroelektroden pro Array und decodieren Bewegungsintentionen von mehreren hundert Einzelzellen des primären motorischen Kortex. Die damit gegebene hohe Dimensionalität des Signalraums, verbunden mit der Bewegungsspezifität der Einzelzellaktivitäten, lässt die Möglichkeit der Rekonstruktion sogar dreidimensionaler Bewegungstrajektorien in hoher Präzision erhoffen. Durch eine derartige Vielkanalableitung kortikaler Einzelzell-Aktions- potentiale ist es in der Tat kürzlich einem hochspinal traumatisierten, tetraplegischen Patienten gelungen, erste, allerdings noch rudimentäre Aktionen mit einem mehrgelenkigen Roboterarm auszuführen (vgl. HOCHBERG et al. 2006, siehe auch NICOLELIS 2003 und SCHWARz 2004 zu Studien am wachen Affen). Alternativ werden aktuell auch die invasive Ableitung lokaler Feldpotentiale (LFP; MEHRING et al. 2003) und das subkortikal abgeleitete Elektrokortiko- gramm (vgl. LEUTHARDT et al. 2004) erfolgreich zur Klassifikation von Bewegungsintentio- nen eingesetzt. Beim Vergleich der invasiven Ansätze untereinander sowie gegenüber den nichtinvasiven EEG-basierten Verfahren werden sich in den nächsten Jahren differentielle Indikationsprofile herauskristallisieren, die für den einzelnen Patienten unter Berücksichtigung seiner auto- nomen Nutzen-Risiko-Abwägung die Kriterien von Spezifität der Intentionsdekodierung, potentiellen Operationsrisiken (Blutung, Infektion), Anwendungsfreundlichkeit für Laien- helfer im häuslichen Bereich des Patienten und Langzeitstabilität der applizierten Sensoren ausbalancieren. Forschen an einer neuen Schnittstelle zum Gehirn: Das Berliner Brain-Computer-Interface Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 235–257 (2011) 253