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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

2.2.2 Proteinfunktionsvorhersage Die Funktion eines Proteins liegt in seiner Struktur begründet: Die Form einer Maschine be- gründet ihre Funktion. Daher sollte man meinen, dass zum einen für die Ermittlung der Funk- tion eines Proteins die Kenntnis seiner Struktur Voraussetzung ist. zum anderen wäre naheliegend, dass, wenn man die Struktur eines Proteins kennt, seine Funktion leicht ableit- bar ist. Beide Annahmen sind falsch. zum einen lassen sich mit vergleichenden Methoden aus der Kenntnis der Proteinkette weitreichende Schlüsse über die Funktion des Proteins ziehen. Während die Evolution nämlich gern Proteinketten variiert, konserviert sie Proteinfunktionen wesentlich stärker. Vergleichende Analysen werden dadurch ermöglicht, dass man das zu un- tersuchende Protein, das wir auch hier zielprotein nennen wollen, in einen evolutionären Stammbaum von Proteinen mit ähnlichen Sequenzen einordnet. Die Berechnung von evolu- tionären Stammbäumen ist auf der Basis der Sequenzen der beteiligten Proteine sowie eines multiplen Alignments dieser Sequenzen möglich. Funktionshypothesen können dann unter Umständen zwischen evolutionär eng verwandten Proteinen übertragen werden. Hier muss man mit besonderer Vorsicht vorgehen, denn eine ähnlichkeit der Proteinketten allein sichert noch keine Gleichheit der Proteinfunktion. Funktionsübertragungen sind nur dann möglich, wenn die beiden beteiligten Proteine ortholog sind – d. h., wenn sie über einen gemeinsamen Vorfahren evolutionär miteinander verwandt sind, von dem die durch die Proteine ausgeübte Funktion von einer Spezies zu anderen weitergereicht wird. In der Sequenz ähnliche Proteine können dagegen auch über eine Genduplikation in ein- und demselben Organismus miteinan- der in Beziehung stehen. Eine solche Genduplikation eröffnet die Möglichkeit zur evolutio- nären Entwicklung einer neuen Funktion auf Basis derselben Proteinkette. Daher können zwei solche paraloge Proteine unterschiedliche Funktion haben. Es stehen heute auf der Basis von Vergleichsmethoden operierende Analysen zur Verfügung, um orthologe von paralogen Pro- teinen zu unterscheiden (KOONIN 2005). Neben der Proteinfunktionsanalyse auf der Basis von Stammbäumen ist auch die Suche nach funktionalen Sequenzmotiven eine erfolgreiche Methode zur Ermittlung von Information über Proteinfunktion. Wie schon erwähnt, üben Proteine ihre Funktion größtenteils durch Bin- dung an andere Moleküle aus. Eine solche Bindung geschieht in bestimmten Oberflächenbe- reichen des Proteins, den sogenannten Bindetaschen. Die Bindetaschen sind wiederum aus Aminosäuren aufgebaut, die zu ihrer Form beitragen. Und diese Aminosäuren sind natürlich in der Proteinkette zu finden. Jede Bindetasche hat eine spezifisch auf den molekularen Bin- dungspartner ausgerichtete Form und chemisches Profil. Damit finden sich in der Proteinkette Sequenzmuster, die für eine Bindetasche, die ein bestimmtes Molekül bindet, spezifisch sind. Die Suche nach solchen Mustern ermöglicht die Ermittlung von Information über die mole- kulare Funktion von Proteinen direkt aus der Proteinkette. Die Proteinkette kann also als we- sentliche Quelle von Information über die Proteinfunktion benutzt werden (BRUTLAG 2007). Natürlich gibt die Proteinstruktur wesentlich genauere Informationen über die Form von Bindetaschen als die Proteinkette. Die bioinformatische Technologie für die Ableitung von Information über die Proteinfunktion aus der Proteinstruktur hinkt jedoch der Technologie deutlich nach, die für Proteinsequenzen zur Verfügung steht. In der Tat ist der Vergleich etwa von Bindetaschen auf struktureller Ebene sehr schwierig und bis heute nicht wirklich bewältigt. Wir haben es hier mit einem aktiven und noch nicht ausgereiften Forschungsgebiet zu tun (DOMINGUES und LENGAUER 2007). Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 11–44 (2011) Thomas Lengauer 26