Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Der demographische Wandel bedeutet in der mittleren Frist, also etwa in 20 Jahren, dass wir viele Rentner haben werden, aber wenige Beitragszahler in die Rentenversicherung. Das ist gut bekannt. Dementsprechend wird es aber auch viele Personen geben, die Leistungen aus der gesetzlichen Krankenkasse benötigen, aber nur wenige Menschen, die Beiträge in die ge- setzliche Krankenversicherung einzahlen. Die Alterung bedeutet aber auch fundamentale Ver- änderungen für die makroökonomische Entwicklung. Denn in den nächsten 20 Jahren wird sich die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik kaum ändern, sie schrumpft erst nach dem Ab- leben der Babyboom-Generation. Es wird also weiterhin viele Konsumenten geben in Deutsch- land, aber immer weniger Erwerbstätige, die die Güter und Dienstleistungen produzieren, die diese Menschen konsumieren werden. Schließlich wird sich auch auf den Immobilien- und Kapitalmärkten eine wesentliche Strukturveränderung ergeben, wenn die Babyboom-Generation ihre angesparten Vermögen und ihre erworbenen Häuser in etwa 20 Jahren verkaufen möchte. Denn dann gibt es viele Verkäufer von Vermögensgegenständen, aber relativ wenige Käufer aus der jungen Gene- ration. Dies sind die wesentlichen ökonomischen Herausforderungen. Hinzu kommen die viel- fältigen gesellschaftlichen und medizinischen Herausforderungen einer alternden Gesellschaft, auf die ich hier nicht eingehen möchte. Sie reichen von der Ausgestaltung eines demographie- festen Gesundheitssystems über Pflege und zuwendung einer großen, immer älter werdenden Babyboom-Generation. Auswirkungen wird es auch auf die Politik geben, denn ein alterndes Deutschland wird nicht den Platz in der globalen machtpolitischen Hackordnung ausüben kön- nen, den es derzeit hat. Gestatten Sie mir, bei den ökonomischen Herausforderungen zu bleiben. Weniger Produ- zenten für Güter und Dienstleistungen heißt notwendigerweise, dass das Bruttoinlandsprodukt, nachdem wir zumindest approximativ unseren Wohlstand messen, sinken wird. Der ökono- mische Lebensstandard misst sich, grob vereinfacht, als dieses Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung. Es wird hergestellt als Produkt der in die Volkswirtschaft gesteckten Res- sourcen (vor allem die Anzahl der Arbeitsstunden, aber auch des Realkapitals, also Maschinen und Ausrüstungen), multipliziert mit der Produktivität, mit der Arbeit und Maschinen einge- setzt werden. Die zukünftige Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf besteht daher aus drei Komponenten, nämlich der zukünftigen Entwicklung der Produktivität, der Wachstumsrate der Erwerbsquote, und der Wachstumsrate des Realkapitals, das pro Kopf der arbeitenden Be- völkerung aufgewendet wird. Hier gibt es zunächst einmal nur schlechte Nachrichten. Erstens behaupten viele Men- schen, dass ältere Menschen weniger produktiv sind als jüngere Menschen. Sollte diese Behauptung stimmen, würde eine Alterung der Bevölkerung, die auch immer eine Alterung der Belegschaft impliziert, also einen Rückgang der Produktivität zur Folge haben. zweitens kann man in einer älteren Gesellschaft kaum erwarten, dass die Erwerbsquote steigt. Ganz im Gegenteil bedeutet Alterung ja gerade eine Abnahme der jüngeren und damit erwerbs- tätigen Bevölkerung relativ zur Gesamtbevölkerung. Auch hier ist das Wachstum tendenziell also negativ. Drittens hat eine ältere Bevölkerung eher die Tendenz dazu, Vermögenswerte abzubauen, anstatt neue anzusammeln. Dies gilt natürlich auch für die Sparguthaben, mit denen Investitionen finanziert werden. Ein Wachstum des Produktivkapitals pro Kopf der arbeitenden Bevölkerung ist daher schwerer zu finanzieren in einer alternden Bevölke- rung. Computermodelle in der Volkswirtschaftslehre Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 285–301 (2011) 289