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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

reinen Grundlagenforschung, der anwendungsorientierten Forschung und der ganz praktischen Anwendung. Das Versagen der Risikomodelle vor der Finanzkrise lag auch an der impliziten Annahme, dass man Liquiditätsprobleme aufgrund von überzogenen Renditeerwartungen für jede Bank isoliert in den Griff bekommen kann – jetzt gilt es also, Modelle zu bauen, die sys- temische Interaktionen auf den Finanzmärkten hinreichend gut abbilden können. So kann man wenigstens einen Grund für die Finanzkrise ausräumen. Hier sind neue Ideen gefragt. Die An- wendungsforschung wird Hilfe von der reinen Grundlagenforschung brauchen. Damit wird zeit verstreichen. In dieser zwischenzeit wird man mit hohen Sicherheitsmargen operieren müssen. Aber die Modelle wieder durch Intuition zu ersetzen, wäre desaströs – hat uns die In- tuition („es wird schon gut gehen“) nicht gerade in die Katastrophe geführt? Gier, Wunsch- denken und politische Vorstellungen pflegen sich im Gewande der Intuition zu kleiden; mathematische Modelle sind unabdingbare Elemente des Dialogs zwischen Intuition und Er- kenntnisfindung in der ökonomie, weil sie entlarven können, wenn die Intuition nur des Kai- sers neue Kleider sind. 4.   Anwendung von Computersimulationsmodellen auf den demographischen Wandel Lassen Sie mich mit der aller einfachsten Modellierung beginnen, die wir in der ökonomie etwas ironisch mit Hydraulik bezeichnen. Wir hatten in Abschnitt 2 die Herausforderungen des demographischen Wandels und eine Reihe konkreter Lösungsansätze vorgestellt. Beginnen wir mit dem einleuchtendsten Ansatz, nämlich die ohnehin im internationalen Vergleich nied- rige deutsche Erwerbstätigkeit zu erhöhen. Wenn wir insgesamt weniger Menschen im er- werbsfähigen Alter haben, dann sollten wir zumindest deren Erwerbsfähigkeit optimal ausnutzen. Ein Schritt dazu wäre es, das Rentenalter um zwei Jahre zu erhöhen, die sogenannte Rente mit 67. Ein weiterer Schritt wäre es, die Studiengänge und dasAbitur so neu zu gestalten, dass jüngere Menschen ungefähr zwei Jahre früher in den Beruf kommen, wie es ja Sinn des achtjährigen Gymnasiums und der Bachelorstudiengänge ist. Drittens wäre es sinnvoll, durch bessere Kinderbetreuungsangebote die Frauenerwerbstätigkeit anzuheben. Schließlich kann man die in vielen Detailbereichen schlecht implementierte Reform der Arbeitslosenversiche- rung konsequent zu Ende führen, so dass die Arbeitslosenrate auf etwa dem „natürlichen Ni- veau“ von etwa 5 % liegen wird. Nimmt man diese vier Schritte zusammen, gelangt man ziemlich genau auf die Erwerbs- beteiligung, die in Dänemark oder der Schweiz derzeit bereits vorherrscht. Dieser internatio- nale Vergleich ist aus zwei Gründen wichtig: Erstens zeigt er, dass diese Reformen möglich sind, zweitens lässt es sich auch in Dänemark und der Schweiz gerecht, sozial und angenehm leben; diese Reformen führen nicht zu amerikanischen Verhältnissen. Abbildung 2 wendet diese Reformen kumulativ in Deutschland, Frankreich und Italien an. Gezählt werden z. B. die zahl der Menschen, die in den letzten zwei Jahren in Ruhestand ge- gangen und ganz mechanisch zu den derzeit erwerbstätigen Menschen dazugezählt. ähnlich mit den anderen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Für Deutschland sehen wir, dass ohne diese Arbeitsmarkteingriffe die Anzahl der Erwerbstätigen um etwa 25 % zurückgehen würde. Mit allen Reformen zusammen würde dagegen die Anzahl der Erwerbstätigen nur um 13 % schrumpfen, die Alterung würde also zur Hälfte durch eine höhere Erwerbstätigkeit kompen- siert. Dies ist ein Ergebnis, das es festzuhalten gilt. Computermodelle in der Volkswirtschaftslehre Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 285–301 (2011) 293