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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Die übrigen Trajektorien zeigen, dass es nicht so kommen muss. Dies ist die Botschaft, auf die es mir wirtschaftspolitisch ankommt: Der Verlust an Lebensstandard durch den demogra- phischen Wandel ist kein Schicksal, sondern er kann abgewendet wird, wenn man sich anpasst. Dem Status-quo-Szenario werden zwei Politikmaßnahmen (Arbeitsmarktpolitik und Renten- politik) und eine Verhaltensmaßnahme gegenüber gestellt. Alle Kombinationen zusammen er- geben daher acht Trajektorien. Was die Arbeitsmarktpolitik angeht, nehmen wir als Kontrast zum Status quo an, dass alle vier Maßnahmen der Abbildung 2 umgesetzt werden: späterer Renteneintritt, früherer Berufs- beginn, höhere Frauenerwerbsquote und niedrigere Arbeitslosigkeit, so dass dieses reformierte Deutschland ziemlich genau die heutige dänische Erwerbslandschaft widerspiegelt. Diese Ar- beitsmarktreformtrajektorien sind mit einem roten Dreieck bezeichnet, der entsprechende Sta- tus quo auf dem Arbeitsmarkt mit einer blauen Raute. Die Kurven mit einem roten Dreieck liegen deutlich über den Kurven mit einem blauen Viereck. Die Botschaft ist klar: Ohne Ar- beitsmarktreformen können wir unseren Lebensstandard nicht halten. Im Gegensatz zur Arbeitsmarktreform, die durchaus realistisch umsetzbar ist, und nicht nur die heutige Situation in Dänemark oder der Schweiz widerspiegelt, sondern auch das Er- gebnis einer konsequent durchgehaltenen Agenda 2010 gewesen wäre, die sich ja stark am Vorbild Dänemarks orientiert hat, ist die Rentenpolitik drastisch modelliert: die gelben Linien repräsentieren zustände, in denen unser Rentensystem weitgehend auf eine Kapitaldeckung umgestellt wurde, während die blauen Linien unserem jetzigen Umlageverfahren entsprechen. Wie der Vergleich der gelben mit den blauen Linien zeigt, wird es ohne die von Walter RIESTER begonnene grundsätzliche Rentenreform zu einem Mehrsäulenmodell schwierig sein, unseren jetzigen Lebensstandard zu halten. zum Dritten zeigen wir den Unterschied zwischen den hydraulischen Rechnungen der Abbildung 2 und den modernen Computersimulationsmodellen gemäß dem Formelapparat der Gleichungen [1]–[11]. Die durchgezogenen Linien zeigen, wie die Menschen, wenn sie sich gemäß dieses Formelapparats verhalten, auf die Veränderungen in den demographischen, arbeitsmarkt- und rentenpolitischen Rahmenbedingungen reagieren, während die gebroche- nen Linien davon ausgehen, dass die Menschen brav das tun, was die Politik ihnen vor- schreibt. Abbildung 3 zeigt, dass die Angebotsreaktion der Haushalte die Reformeffekte dämpft. Haushalte konterkarieren das, was die Politiker gerne durchsetzen würden. Sie tun es aber nicht vollständig. An den durchgezogenen Linien sehen wir, dass man in der Kombi- nation von Rentenreform und Arbeitsmarktreform trotz dämpfender Arbeitsangebotsreaktio- nen unseren Lebensstandard halten kann, trotz der adversen demographischen Ent- wicklung. 5.   Fazit Ich habe versucht, in diesem Beitrag zwei rote Fäden miteinander zu verweben. zum einen das hoch emotionale Thema der Alterung und der Notwendigkeit, das umlagefinanzierte Ren- tenniveau zu begrenzen und gleichzeitig unpopuläre Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt wie die Rente mit 67 einzuführen. zum anderen habe ich versucht, das abstrakte und wahrschein- lich für viele fremde Thema der Entwicklung der Volkswirtschaftslehre zu einem naturwis- senschaftlich orientierten, stark von der Mathematik und von Computersimulationsmodellen geprägte Disziplin aufzuzeigen. Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 285–301 (2011) Axel Börsch-Supan 298