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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

rung an die analytische Lösung bestimmt werden. Die errechnete Wertetabelle bezieht sich ausschließlich auf die Bewegung eines virtuellen Objektes, das wiederum nicht identifiziert werden darf, mit einer durch ein lineares Gleichungssystem beschreibbaren Entität. Und das aus folgendem Grund: Erinnern wir uns, zu Anfang betont zu haben, dass Simulationen sich auf das Oberflächenverhalten von Phänomenen beziehen, ohne dass die zugrundeliegende Tiefenstruktur dabei imitiert wird. Ein analytisch lösbares Differentialgleichungssystem, wel- ches das Verhalten eines Systems präzise beschreibt und vorhersagbar macht, kann durchaus als ein Modell für die diesem Verhalten zugrundeliegende ‚Tiefenstruktur‘ angesehen werden. Numerisch lösbare Gleichungen sind natürlich ebenfalls ein mathematisches Modell für ein dynamisches System, allerdings nicht (mehr) – wie bei den analytisch lösbaren Gleichungen – für dessen Tiefenstruktur, vielmehr nur noch für sein Oberflächenverhalten. Und dieser Unterschied zwischen ‚Oberfläche‘ und ‚Tiefe‘ ist entscheidend zum Verständnis der ‚Natur‘ computergenerierter Simulationen. Denn in letzter Instanz soll und kann durch eine compu- tergenerierte Simulation ‚nur‘ ein Phänomenbereich modelliert werden. Auf die Frage: ‚was simuliert die numerische Simulation‘ können wir also antworten: das Oberflächenverhalten eines virtuellen Objektes. Das hat zumindest drei erkenntnistheoretisch bedeutsame Impli- kationen: (1.) Staffelung von Modellierungen. Die Technik computergenerierter Simulationen zielt zwar auf die Modellierung von Phänomenen; doch dies gelingt nur mit Hilfe einer ganzen Kas- kade von Modellierungen auf ganz unterschiedlichen Ebenen.40 Wir müssen somit eine Vereinfachung rückgängig machen: Denn das computergenerierte Simulieren – darauf hat Eric WINSBERG mit Nachdruck verwiesen – ist ein vielfach gestufter Prozess, bei dem un- terschiedliche Formen von Modellen jeweils zu durchschreiten sind. So dass also zwischen der Theorie einerseits und dem Phänomenmodell andererseits sich eine Modellierungs- kette spannt, die jeweils mechanische, dynamische, diskretisierende und komputationale Modelle enthält. (2.) Kriterien. Was ist das Kriterium für eine gelungene Simulation? Im einfachsten Falle kön- nen wir sagen: das ist die übereinstimmung mit einem faktisch beobachtbaren Verhalten. Doch oftmals handelt es sich um die Simulation von Vorgängen, für die realweltliche Be- obachtungen gar nicht gegeben sind. Und manchmal gehen Simulationen empirisch wahr- genommenen Phänomenen voraus: Dafür hat Johannes LENHARD ein instruktives Beispiel gegeben: Uzi LANDMAN, ein Pionier der Simulationsmethode in den Materialwissenschaften, stieß in der Simulation auf ein Phänomen – die Bildung eines ‚Nanodrahts aus Gold‘ –, welches zum damaligen zeitpunkt eine Erscheinung ausschließlich am virtuellen, com- putergenerierten Objekt war, dann jedoch zwei Jahre später durch empirische Resultate der Rastertunnelmikroskopie bestätigt werden konnte.41 Es hat sich also erst im Nachhinein gezeigt, dass virtuelles Objekt und Realobjekt in einer Analogiebeziehung stehen. Wenn es jedoch um langfristige Klimavoraussagen geht, ist solche Empirie selbst nachträglich als Prüfstein kaum zu haben, bedenkt man überdies, dass die Praxis der Politik alles tun muss, damit – etwa angesichts einer vorausgesagten Klimaerwärmung – diese Vorhersagen sich nicht bestätigen.42 Simulation und Erkenntnis. Über die Rolle computergenerierter Simulationen in den Wissenschaften Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 303–322 (2011) 317 40 Dies hat Eric WINSBERG 1999 überzeugend gezeigt. 41 LANDMANN 1990; zitiert und kommentiert bei LENHARD 2005, S. 307ff.; auch ROHRLICH 1990. 42 GRAMELSBERGER 2006.