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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

mulationen als ein „Tertium Quid“, als ein Drittes gelten, das auf neuartige Weise zwischen analytischer Theorie und empirischem Experiment vermittelt.46 MORRISON und MORGAN sprechen auch von der „marriage of theory and phenomena“.47 (4.) Knowing how. Die Frage drängt sich auf, welche Art von Wissen durch computergenerierte Simulationen zu gewinnen ist. LENHARD betont, dass in Simulationen ein Wissen zwar überaus realistisch dargestellt wird, dabei jedoch noch keineswegs verstanden ist. Die Dar- stellung durch die Werkzeuge der Computervisualisierung ist luzide, das Wissen selbst bleibt opak. So verkoppeln sich im Computerexperiment zwei gewöhnlich einander oppo- nierende Elemente.48 Im Horizont unserer Betonung, dass Computersimulationen keine Tiefenstrukuren, vielmehr ‚nur‘ Oberflächenverhalten zum Vorschein bringen, findet sich dann auch eine Auflösung für diese gegenläufige Verbindung: Klar zu sehen ist in der Si- mulation das Phänomen; dunkel bleibt die das Phänomen generierende Struktur. Eine sol- che Situation ist keineswegs ungewöhnlich, sondern charakterisiert einen Gutteil unseres alltagspraktischen Verhaltens. Wenn wir Autofahren, brauchen wir kein Wissen um die das Fahren ermöglichenden physikalisch-mechanischen Vorgänge; wenn wir schriftlich rech- nen, müssen wir nicht begründen können, warum unsere Rechenalgorithmen funktionieren und auf welch ein Objekt die ziffer ‚0‘ referiert. Das Wissen, ‚wie etwas zu handhaben ist‘, ist im Umgang mit technischen Geräten gewöhnlich abgelöst vom Wissen, ‚warum diese Handhabung funktioniert‘; und diese Aufspaltung zwischen Knowing how und Kno- wing that gibt die Grundlage ab für die beständige Erweiterung unserer technischen Kom- petenzen – nicht zuletzt im Umgang mit dem Computer selbst. Wir können also mit LENHARD 49 den Schluss ziehen, dass das explanatorische Wissen, welches Simulationsmo- delle liefern, dem pragmatisch orientierten technischen Wissen ähnelt, bei dem ‚Verstehen‘ eingreifen und kontrollieren heißt, aber nicht notwendig auch heißt, erklären und begründen zu können. 6.   Ein Resümee (1.) Sowohl der alltagsweltlich ‚täuschende‘ wie der wissenschaftlich ‚erkenntniserzeugende‘ Sinn des Begriffes ‚Simulation‘ bezieht sich auf die Hervorbringung einer zeichenwelt, die in dem, was gezeigt und bezeichnet wird, nicht auf die Tiefenstruktur, vielmehr auf das Ober- flächenverhalten eines Systems zielt. Simuliert wird immer eine dynamische Erscheinungs- form. (2.) Insofern das computergenerierte Simulieren teil hat an der für alle Wissenschaften grundlegenden visualisierenden Modellierung ihrer Erkenntnisgegenstände, sind bildkritische Einsichten vonnöten, damit aus den Simulationsbildern keine Trugbilder werden. Auf die Not- wendigkeit kritischen Bildbewusstseins hat schon PLATON verwiesen: Er verbindet die Einsicht in die Unabdingbarkeit bildlicher Vergegenwärtigung wissenschaftlicher Gegenstände (Linien- gleichnis) mit der Einforderung eines Bewusstsein von deren Abbildcharakter, um deren Um- schlag in Trugbilder zu vermeiden (Höhlengleichnis). Simulation und Erkenntnis. Über die Rolle computergenerierter Simulationen in den Wissenschaften Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 303–322 (2011) 319 46 zu diesem Vermittlungsaspekt: GALISON 1996, HUMPHREyS 1994, RAMSEy 1997. 47 MORRISON und MORGAN 1999, S. 13, hierbei auf CARTWRIGHT 1983 zurückgehend. 48 LENHARD 2005, S. 314ff. 49 LENHARD 2005.