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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Wie funktioniert das Leben? Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 11–44 (2011) 41 Im Allgemeinen ist zu sagen, dass wir uns bei der Modellierung von biologischen Prozessen heute noch in den Anfangsstadien befinden, die gekennzeichnet sind durch enge Begrenztheit der betrachteten Systeme und starke Einschränkungen bei der überdeckung von Raum- und zeitskalen. 7.   Ausblick Wie aus dem Vorhergegangenen deutlich wird, ist die Modellierung und Simulation biologi- scher Systeme eine ausgesprochen große Herausforderung. Für praktisch keines der betrach- teten Systeme sind wir in der Lage, Garantien für die Genauigkeit des Modells zu übernehmen. Deshalb gehört zu einem ausgereiften Modell nicht nur ein prädiktiver Algorithmus, sondern auch eine Methode zur Abschätzung der zuverlässigkeit, die man dem berechneten Resultat beimessen kann. Wir können dies an einem Beispiel verdeutlichen. Wie in Abschnitt 2 er- wähnt, beträgt die Genauigkeit der Vorhersage von Proteinfaltungen mit der ähnlichkeits- basierten Methode etwa 70–80 %. Das heißt, dass mindestens ein Fünftel der vorhergesagten Strukturen falsch sind. Dabei wurde schon erwähnt, dass die zuverlässigkeit einer Vorhersage sowohl von der ähnlichkeit des zielproteins zum Templatprotein als auch – bei geringer ähn- lichkeit zwischen beiden Proteinen – von der Anzahl der langreichweitigen Kontakte im ziel- protein abhängt. Das legt nahe, dass der Algorithmus zur Proteinstrukturvorhersage in der Lage sein sollte, die zuverlässigkeit seiner eigenen Vorhersage abzuschätzen. In der Tat gibt es sowohl für Proteinsequenzalignments (MITROPHANOV und BORODOVSKy 2006) als auch für Proteinstrukturvorhersagen entsprechende Methoden (SOMMER 2007). Die meisten solchen Methoden beruhen auf einer statistischen Analyse der Bewertung des berechneten Modells vor einer neutralen Hintergrundverteilung. Je unwahrscheinlicher ein Modell nach dieser Be- wertung ist, desto eher kann es als biologisch relevant angesehen werden. Allerdings gibt es auch viele Bereiche in der Bioinformatik, in denen solche Hintergrundverteilungen schwierig zu berechnen sind und deshalb eine genaue Berechnung der zuverlässigkeit der Vorhersage noch nicht angeboten werden kann. Obwohl also das Erreichte gegenüber der Schwierigkeit des noch Bevorstehenden den zu- stand eines gereiften Gebietes nicht nahelegt, sind bereits beträchtliche Erfolge bei der Mo- dellierung biologischer Strukturen, Systeme und Prozesse zu verzeichnen. So sind bereits mehrere Medikamente mit (mehr oder weniger umfangreicher) Analyse im Computer entwi- ckelt beziehungsweise modelliert worden (MUEGGE und OLOFF 2006). Ferner hält die Bioin- formatik Einzug in die klinische Diagnostik. So haben statistische Modelle für das Profil der von der zelle abgelesenen Gene von Tumorzellen die Feindiagnosen und Prognosen von ei- nigen Arten von bösartigen Tumoren deutlich verbessert (HE 2006, zIEGER 2008). Auch bei der Therapieauswahl sind bioinformatische Verfahren teilweise von entscheidender Bedeutung. So haben Modelle zur Resistenzbewertung und viralen Evolution die Fehlerquote bei der Aus- wahl von Medikamenten für AIDS-Patienten signifikant gesenkt (LENGAUER und SING 2006). Dies alles sind Beispiele, bei denen die Computermodellierung über die wissenschaftliche Forschung hinaus in die pharmazeutische und klinische Praxis ausstrahlt. In der biologischen und medizinischen Forschung selbst wird die Bioinformatik heute breitflächig eingesetzt. So führen etwa die Modellierung von Proteinstrukturen, bioinformatisch abgeleitete Funktions- hypothesen und rechnergestützter Analyse von molekularen Netzwerken häufig zur effektiven Priorisierung und Konfiguration von biologischen Experimenten.