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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Dabei kommt es nur auf die relative Bewegung an: Das Relativitätsprinzip besagt, dass es kei- nen absoluten Bezug für Bewegung an sich gibt; es kommt immer nur auf die relative Bewe- gung von Objekten oder Bezugssystemen an.3 Dieses Relativitätsprinzip war auch schon durch die Galilei-Invarianz der klassischen Mechanik realisiert. Als neues Element der Speziellen Relativitätstheorie kommt hinzu, dass die Geschwindigkeit eines Lichtstrahls im Vakuum – genauer gesagt: jeder physikalischen Erscheinung, die keine Ruhemasse aufweist, und die sich im Vakuum ausbreiten kann – in jedem Bezugssystem die gleiche ist, auch wenn sich verschiedene Bezugssysteme ihrerseits gegeneinander bewegen. Geschwindigkeiten können daher nicht mehr, wie gewohnt, einfach zueinander addiert werden. In Abbildung 1B spielt es dank des Relativitätsprinzips keine Rolle, ob wir uns vorstellen, dass die Erde am Beobachter vorbeifliegt, oder umgekehrt. Abbildung 1B ist jedoch fiktiv: Ein realistisches Bild kommt selbst durch Lichtstrahlen zustande. Dabei spielt ein sehr ele- mentarer Effekt, nämlich die endliche Geschwindigkeit des Lichts, eine wichtige Rolle. Ab- bildung 1C berücksichtigt die dadurch bedingte endliche Lichtlaufzeit und zeigt daher, was wir bei der genannten Geschwindigkeit tatsächlich sehen.4 Das Resultat erstaunt: Man hätte wohl erwartet, dass das Bild noch kurioser aussieht als Abbildung 1B. In Wirklichkeit kom- pensiert der Effekt der Lichtlaufzeit aber einen erheblichen Teil der Veränderungen, die die Längenkontraktion verursacht hat. Der Umriss der Erde ist wieder genau kreisförmig, auf den ersten Blick erkennt man hauptsächlich eine Drehung des gewohnten Bildes. So simpel dieser Effekt also ist, so hat die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit dennoch einen genauso großen Einfluss auf das endgültige Bild wie die Längenkontraktion. Spätestens seit den Arbeiten von Olaf RöMER ist aber bekannt, dass Licht sich mit endlicher Geschwin- digkeit ausbreitet; sogar den Wert dieser Geschwindigkeit hatte RöMER recht gut bestimmen können. Hat sich also jemals ein Physiker vor EINSTEIN überlegt, welche Auswirkungen das bei einem Blick aus dem Fenster während einer sehr schnellen Reise hat? Anscheinend nicht. Dabei wäre er nämlich auf interessante Ergebnisse gestoßen: Entsprechend dem Stand der Physik vor 1900 muss er sich zunächst entscheiden, ob er die Maxwell-Gleichungen im Be- zugssystem der Erde oder im Bezugssystem des Beobachters lösen will. Die Maxwell-Glei- chungen sind die Grundgleichungen der Elektrodynamik und bestimmen daher auch die Ausbreitung des Lichts als elektromagnetische Welle. In der Sprache der Physik des 19. Jahr- hunderts kann man diese Unterscheidung auch als die Frage formulieren, ob die Erde sich re- lativ zum äther bewegt, oder aber der Beobachter, oder möglicherweise beide. Das Ergebnis ist unterschiedlich, je nachdem, ob wir die Erde oder den Beobachter als be- wegt ansehen. So etwas galt bei den Physikern auch schon vor der Einsteinschen Relativitäts- theorie als problematisch. Die Gleichungen der Newtonschen Mechanik sind nämlich invariant gegenüber einem Wechsel von einem Inertialsystem zu einem anderen. Auch hier sollte also nur die relative Bewegung eine Rolle beim Ausgang eines Experiments spielen. Was wir in Abbildung 2 anschaulich dargestellt sehen, ist eines der Hauptprobleme der Physik im ausgehenden 19. Jahrhundert: Die Maxwellgleichungen gehorchen einer anderen Art von Invarianz als die Newtonsche Mechanik. Die beiden sind also gewissermaßen nicht miteinander verträglich. Nicht von ungefähr gab EINSTEIN seiner grundlegenden Arbeit zur Speziellen Relativitätstheorie den Titel: „zur Elektrodynamik bewegter Körper“. Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 65–81 (2011) Hanns Ruder und Hans-Peter Nollert 68 3 Vgl.: DVD → RUDER und NOLLERT → Bewegung. 4 Vgl.: DVD → RUDER und NOLLERT → Weg, zeit, Geschwindigkeit.