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Nachricht | Dienstag, 5. Januar 2021, aktualisiert am 17. Februar 2021

Wissenschaftsbasierte Beratung von Gesellschaft und Politik in Krisenzeiten

Wissenschaftsbasierte Beratung von Gesellschaft und Politik in Krisenzeiten

Foto: David Ausserhofer / Leopoldina

Die Leopoldina erarbeitet Stellungnahmen zur wissenschaftsbasierten Politikberatung interdisziplinär, unabhängig und ergebnisoffen. Sie wählt die Themen ihrer Stellungnahmen selbst aus und verfasst keine Gutachten auf Bestellung. Stellungnahmen werden von Arbeitsgruppen verfasst. Diese beziehen die Perspektiven der jeweils relevanten Fachrichtungen ein. Die Stellungnahmen werden frei veröffentlicht, sie zeigen Handlungsoptionen und Empfehlungen auf. Konkrete Maßnahmen zu beschließen, ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik.

In der Coronavirus-Pandemie sind Daten und Erkenntnisse, Handlungsoptionen und Empfehlungen aus verlässlicher Quelle gefragt, um mit der Krise umzugehen. Hier muss die Wissenschaft ihren Beitrag leisten ‒ auch mit wissenschaftsbasierter Politikberatung. Kurz definiert bündelt wissenschaftsbasierte Politikberatung wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten aus verschiedenen Disziplinen und ordnet diese in den aktuellen, gesellschaftlichen Kontext ein.

Dabei vermittelt sie stets den aktuellen Stand des Wissens zu einem bestimmten Thema und zeigt darauf aufbauend Handlungsoptionen auf. Zu den verschiedenen Aspekten und Einzelheiten dieses Prozesses ist viel gesagt und geschrieben worden. Und doch ist die Diskussion darüber nicht abgeschlossen und noch von vielen Missverständnissen geprägt. Denn die Erwartungshaltung von Politik und Gesellschaft zielt auf Eindeutigkeit der Erkenntnisse und Legitimation politischer Entscheidungen.

Wissenschaftsbasierte Politikberatung ist interdisziplinär…

Wissenschaft ist geprägt von Disziplinen und Forschungsrichtungen. Im Umgang mit komplexen Herausforderungen eröffnet Interdisziplinarität einen vielfältigen Zugang zu den Themen, bringt verschiedene Erkenntnisse und unterschiedliche Perspektiven ein und setzt diese ins Verhältnis zueinander. Das geschieht bei der Erarbeitung von Stellungnahmen durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen der Politikberatung der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Der hierbei hergestellte Konsensus wird der komplexen Wirklichkeit eher gerecht als Einzelstimmen.

… unabhängig …

Die wissenschaftsbasierte Politikberatung grenzt sich klar von interessengeleitetem Lobbyismus ab. Unabhängige Politikberatung wird vom Stand der Forschung und nicht von wirtschaftlichen Gewinn- oder politischen Machtinteressen geleitet. Sie zeigt Handlungsoptionen auf oder spricht Empfehlungen aus, trifft jedoch keine Entscheidungen über politische Maßnahmen. Dies ist Aufgabe der demokratisch gewählten und damit legitimierten Legislative und Exekutive. Sie sind es, die Entscheidungen fällen, erklären, umsetzen und die Verantwortung dafür tragen.

… und transparent

In der wissenschaftsbasierten Politikberatung muss immer wieder darauf hingewiesen werden, dass Forschungsergebnisse mit Unsicherheiten behaftet sein können. Ebenso sind Kontroversen in der Wissenschaft für den Erkenntnisgewinn unabdingbar. Wissenschaftlicher Diskurs sichert wissenschaftliche Qualität. Gerade in Krisensituationen wie in der Coronavirus-Pandemie haben Fakten, Auswertungen oder Erkenntnisse in vielen Bereichen teilweise vorläufigen Charakter oder werden unterschiedlich interpretiert. Es ist wichtig, dass die Wissenschaft diese Unsicherheiten und Grenzen des Wissenstandes erklärt, um falschen Erwartungshaltungen entgegen zu wirken. Auch Medien tragen hier in ihrer Berichterstattung eine wesentliche Verantwortung.

Ad-hoc-Stellungnahmen

Wissenschaftsbasierte Politikberatung ist immer häufiger auch eine Frage der Geschwindigkeit. Bei klassischen Leopoldina-Stellungnahmen werden wissenschaftliche Hintergründe detailliert auf bis zu 200 Seiten dargelegt, durch die Angabe von Quellen untermauert, begutachtet und verabschiedet. Dieser Prozess dauert viele Monate, teilweise sogar mehrere Jahre. Im Gegensatz dazu werden Ad-hoc-Stellungnahmen häufig in wenigen Wochen, in Ausnahmefällen sogar noch schneller erstellt, sind fünf bis 20 Seiten lang und verzichten auf umfangreiche Literaturverzeichnisse. Im vergangenen Jahr war es aufgrund der Dynamik des Infektionsgeschehens sieben Mal angezeigt, kurzfristig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Ad-hoc-Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Aspekten der Coronavirus-Pandemie zusammenzurufen.

Die Erarbeitung von Ad-hoc-Stellungnahmen ist eine anspruchsvolle Aufgabe: Auch sie müssen wissenschaftlich möglichst präzise informieren, zugleich klare Handlungsoptionen formulieren und die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger bei ihrer Entscheidungsfindung wirksam unterstützen. Sie müssen deshalb in einer Sprache verfasst sein, die auch für Nicht-Fachleute verständlich ist. All dies muss in kürzester Zeit geschehen.

Ad-hoc-Stellungnahmen der Leopoldina sind also keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, die hochgradig komplex sein können. Sie sind Texte, die politische Entscheidungsträgerinnen und -träger ebenso wie die breitere Öffentlichkeit erreichen sollen. Sie enthalten Handlungsoptionen und Empfehlungen, die sich auf die vorliegende forschungsbasierte Evidenz und deren übereinstimmende Interpretation der Autorinnen und Autoren stützen. Es sind also Konsensus-Papiere.

In der gewachsenen medialen Aufmerksamkeit, die die wissenschaftsbasierte Politikberatung in der Coronavirus-Pandemie derzeit erfährt, zeigt sich der Zielkonflikt zwischen Zeitdruck und Quellentiefe sowie die wissenschaftliche Diskussion zwischen den beteiligten Disziplinen, zwischen Konsens- und Einzelstimmen nun deutlicher als zuvor. Jeder Wissenschaftler und jede Wissenschaftlerin ist selbstverständlich frei, die eigene Meinung als Einzelperson zu vertreten. Im Zusammenspiel der Expertise herausragender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen ist eine umfassendere Sicht auf die Herausforderungen unserer Gegenwart möglich.

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