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Image: Markus Scholz | Leopoldina
Year of election: | 2020 |
Section: | Biochemistry and Biophysics |
City: | Freiburg (Br.) |
Country: | Germany |
Forschungsschwerpunkte: Bioanorganische Chemie, Mechanismus und Dynamik von Metalloproteinen und Membranproteinen, Biologische Stickstofffixierung, Stickstoff- und Kohlenstoffmetabolismus, Strukturbiologie
Oliver Einsle ist Biochemiker. Er untersucht Struktur und Funktion, sowie die Biogenese komplexer Enzymsysteme. Der Schwerpunkt der Arbeiten liegt dabei auf der enzymatischen Aktivierung kleiner Moleküle wie Stickstoff, Lachgas oder Kohlenmonoxid, die durch ihre chemische Stabilität nur schwer umsetzbar, gleichzeitig aber von großer ökologischer und ökonomischer Bedeutung sind.
Einsle arbeitet am Verständnis komplexer zelluläre Prozesse und katalytischer Mechanismen von Enzymen auf atomarer Ebene. Dabei interessiert sich seine Arbeitsgruppe insbesondere für die Aktivierung von kleinen und stabilen Molekülen wie Stickstoff, Kohlenmonoxid oder Distickstoffoxid (Lachgas), die zu den stabilsten Substraten biokatalytischer Umsetzungen gehören. Die biochemischen Maschinen, die diese Reaktionen ermöglichen sind entwicklungsgeschichtlich alt und von erstaunlicher Komplexität, und trotz der vermeintlich simplen Reaktanden sind ihre komplexen Mechanismen bis heute nur unvollständig verstanden.
In langjährigen Arbeiten befasst sich Oliver Einsle mit der biologischen Fixierung atmosphärischem Stickstoffs, dem enzymatischen Äquivalent des industriellen Haber-Bosch-Verfahrens. Dieser mikrobielle Prozess ist für das Leben auf der Erde unverzichtbar und wird gleichwohl nur von einem einzigen Enzym katalysiert, dem Metalloenzym Nitrogenase. Um die gleiche katalytische Leistung zu vollbringen, für die im Haber-Bosch-Verfahren extremer Druck und hohe Temperaturen eingesetzt werden, setzt das Enzym auf einen einzigartigen Metall-Cofaktor, der bei Umgebungsbedingungen die gleiche Effizienz erreicht und dabei ATP als biologische Energiequelle nutzt.
Oliver Einsles Arbeiten haben fundamental zum Verständnis dieses Cofaktors beigetragen. Die Arbeitsgruppe konnte erstmals zeigen, an welcher Stelle Substratmoleküle an das Metallzentrum binden und damit auch vorschlagen, wie der Aktivierungsmechanismus im Detail funktionieren kann. Zudem befasst sich das Team um Einsle mit einer besonderen Reaktivität, die eine Vanadium-haltige Variante der Nitrogenase entwickelt: Neben der Umsetzung von Stickstoff ist dieses Enzym auch zur Reduktion von Kohlenmonoxid (CO) zu einer Reihe von Kohlenwasserstoffen, vor allem Ethylen, in der Lage. Diese Chemie entspricht einem weiteren bedeutenden, industriellen Prozess, dem Fischer-Tropsch-Verfahren, das heute großes Interesse im Hinblick auf die Entwicklung geschlossener Kohlenstoffkreisläufe erfährt, die auf den Einsatz fossiler Brennstoffe verzichten.
Das Enzym Nitrogenase repräsentiert somit die biologische Variante zweier der wichtigsten industriechemischen Prozesse unserer Zeit und folgt dabei nachhaltigen und effizienten Reaktionswegen unter milden Bedingungen. Die Aufklärung ihres Mechanismus und Nutzbarmachung in chemischen oder biotechnologischen Verfahren stellt eine große wissenschaftliche Herausforderung dar, der sich die Arbeitsgruppe um Oliver Einsle mit beträchtlichen Erfolgen stellt.
Die katalytischen Fähigkeiten komplexer Metalloproteine beruhen auf dem Einsatz hoch spezifischer und präzise in einer Proteinmatrix eingebetteter Metallzentren. Neben den Enzymmechanismen selbst ist auch die Biogenese dieser Metallzentren ein hoch komplexes Feld, dessen Verständnis einerseits die Grundvoraussetzung für jede biotechnologische Anwendung darstellt, und andererseits durch die Verbindung mit einer Vielzahl zellulärer Prozesse auch Licht auf fundamentale Wirkprinzipien biochemischer Maschinen wirft. Im Nitrogenase-System werden über zwanzig Genprodukte benötigt, um das Enzym mit seinen Metallzentren komplett zu assemblieren. Bei dem kupferhaltigen Enzym Distickstoffmonoxid-Reduktase, dessen Substrate das klimaschädliche „Lachgas“ N2O ist, werden nur sieben Gene benötigt, aber die Schritte der Assemblierung stehen denen der Nitrogenase in ihrer Komplexität kaum nach.
Das Enzym besitzt zwei Kupferzentren und wird nach seiner ribosomalen Synthese und dem Transport über die Cytoplasmamembran erst im Außenraum der Zelle komplett assembliert. Die rasante Entwicklung der Methode der cryo-Elektronenmikroskopie hat in den letzten Jahren ermöglicht, die hier beteiligten Proteinmaschinen nicht nur strukturell zu charakterisieren, sondern auch ihre intrinsische Dynamik zu erfassen, die ein zentrales Prinzip dieser und anderer physiologischer Systeme darstellt.
Die Analyse dynamischer, membranintegraler, cofaktorhaltiger und dadurch in der Regel sauerstoffempfindlicher Protein-Maschinen ist heute ein zentrales und endlich greifbares Ziel biochemisch-strukturbiologischer Arbeiten. Lösbar ist diese Aufgabe nur durch interdisziplinäre, integrative Ansätze, die sich einer Vielzahl moderner molekularbiologischer, proteinbiochemischer und analytischer Methoden bedienen, wie dies in der Arbeitsgruppe von Oliver Einsle angestrebt und nach Kräften realisiert wird.