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Year of election: | 2004 |
Section: | Kulturwissenschaften |
City: | London SW 1Y 5AH |
Country: | Großbritannien |
Forschungsschwerpunkte: Philosophie der Gegenwart, Politische Philosophie und Ethik, Internationale Gerechtigkeit, Bioethik, Medienethik, Ethik des öffentlichen Lebens, Philosophie Immanuel Kants
Onora O’ Neill ist eine britische Philosophin und Politikerin. In ihrer wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt sie sich mit einer konstruktivistischen Interpretation der Philosophie Immanuel Kants, einer kantisch inspirierten ethischen und politischen Theorie und den daraus resultierenden Auseinandersetzungen mit ethischen, sozialen und politischen Fragen der Gegenwart.
Nach O’Neills Ansicht kann Kants Vorhaben einer Kritik der Vernunft nicht auf unanzweifelbare Grundsätze zurückgreifen, sondern muss diese erst selbst konstruieren. Ein wesentliches Ergebnis von O’Neills Kantinterpretation ist, dass der kategorische Imperativ das oberste Prinzip nicht nur praktischer, sondern auch theoretischer Vernunft darstellt. Vernünftig kann sowohl Denken als auch Handeln nur sein, wenn es von allen befolgt werden kann und damit von vernunftsexternen Vorgaben unabhängig ist.
Ihr Beitrag zur Ethik und politischen Philosophie wendet sich gegen die Zweiteilung zwischen universalistischen Gerechtigkeitstheorien einerseits und partikularistischen Tugendprinzipien andererseits. Stattdessen unterscheidet sie zwischen Tugend- und Gerechtigkeitspflichten: Während es zwar die Pflicht zu tugendhaftem Verhalten gibt, gibt es jedoch kein Recht auf tugendhafte Behandlung. Gleichzeitig ist gerechtes Handeln Pflicht und kann rechtmäßig von anderen gefordert werden. In einer globalisierten Welt sind sich daher die Akteure nicht nur auf lokaler, sondern auch auf globaler Ebene verpflichtet.
In gegenwärtigen Debatten zur Bioethik kritisiert O’Neill die zentrale Stellung der individuellen Autonomie: Einerseits sind in zentralen bioethischen Fragestellungen auch andere Individuen von der jeweiligen Entscheidung betroffen, beispielsweise bei der künstlichen Befruchtung. Andererseits sind die medizinischen Informationen oft so komplex, dass es dem Individuum oftmals unmöglich ist, überhaupt eine informierte Einverständniserklärung abzugeben.