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Press Release | Friday, 17 October 2003

Akademie Leopoldina ehrt zwei Wissenschaftlerinnen mit der Carus-Medaille für ihre medizinischen bzw. naturwissenschaftlichen Forschungsleistungen

Professorin Dr. Katja Becker-Brandenburg (Gießen) für ihre herausragenden Forschungsarbeiten zur Wirkungsweise von Medikamenten gegen infektiöse Parasiten und Privat-Dozentin Dr. Ilme Schlichting (Heidelberg) für ihre beeindruckenden Arbeiten zur Struktur und Funktion eines am Abbau organischer Moleküle beteiligten P-450-Enzyms mittels zeitauflösender Kristallographie

Zu den Preisträgerinnen:
Katja Becker-Brandenburg (Gießen)
Wissenschaftliche Verdienste: Bereits in ihrer Dissertation hatte sich Katja Becker- Brandenburg dem Energiestoffwechsel verschiedener Organismen zugewandt, u.a. der Charakterisierung pathogener Parasiten, wie dem Malaria-Erreger Plasmodium falciparum. Ein Problem des Überlebens von Zellen ist ihre Anpassung gegenüber reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffmetaboliten. Um auf diese toxischen Substanzen reagieren zu können, haben Zellen eine Reihe von Antioxidationssystemen entwickelt, die Katja Becker- Brandenburg in ihren verschiedenen Facetten aufklären konnte. Hierbei spielt die biochemische Charakterisierung der beteiligten Enzymsysteme (Glutathionreduktase, Thioredoxinreduktase) eine Rolle. Schon früh hat sie die Bedeutung der molekularen Strukturaufklärung für die Charakterisierung der Enzymaktivität dieser Proteine und für die Entwicklung von antiparasitären Hemmstoffen erkannt und konnte bahnbrechende Erfolge bei der Charakterisierung von Hemmstoff- Enzymkomplexen erzielen, die in hervorragenden Zeitschriften, wie "Science", "Nature Structural Biology" und "Proceedings of the National Academy of Sciences U.S.A." publiziert wurden. Seit ihrem Wechsel nach Gießen (2000) hat sie ihre Arbeiten auf die Charakterisierung von Enzymsystemen beim Menschen und dem genetischen Modellorganismus Drosophila melanogaster ausgeweitet, um Angriffspunkte für die selektive Ausschaltung entsprechender Systeme bei Parasiten aufzeigen zu können. Katja Becker-Brandenburg hat ein in Deutschland einmaliges Oeuvre zur Charakterisierung von Stoffwechselleistungen parasitärer Mikroorganismen und der Entwicklung von potenziellen Antiinfektiva aufzuweisen. Dieser Ansatz des rationellen Drug-Designs stellt eine hervorragende Möglichkeit dar, die so dringend benötigten antiinfektiven Substanzen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten, wie Malaria oder der Schlafkrankheit, zu entwickeln. Mit Katja Becker-Brandenburg wird eine Wissenschaftlerin mit der Carus-Medaille geehrt, von der auch in Zukunft weitere Aufsehen erregende Beiträge zur Biochemie von Infektionserregern, zur Signaltransduktion von Wirtszellen und zur Chemotherapie von Parasiteninfektionen zu erwarten sind.

Zur Person:
Katja Becker-Brandenburg (Jahrgang 1965) studierte in Heidelberg Medizin (1984-1991) und wurde mit einer Arbeit über den Energiestoffwechsel des Malaria-Erregers Plasmodium falciparum promoviert. Nach einer Reihe von Auslandsaufenthalten in Sydney, Basel und Oxford wurde sie 1993 Hochschulassistentin für das Fach Biochemie. 1996, mit 31 Jahren, habilitierte sie sich für dieses Fach und erwarb 1998 die Facharztanerkennung. Von 1999 bis 2000 war sie Nachwuchsgruppenleiterin am Zentrum für Infektionsforschung der Universität Würzburg. 2000 wurde sie mit 35 Jahren als eine der jüngsten Professorinnen an die Universität Gießen berufen auf den renommierten Lehrstuhl für Biochemie, der seinerzeit von Justus Liebig begründet worden war. Für ihre Forschungsarbeiten hat sie bereits mehrere Preise erhalten. Sie ist Gründungsmitglied der "Jungen Akademie", die gemeinsam 2000 von der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Leopoldina ins Leben gerufen wurde.

Ilme Schlichting (Heidelberg)
Wissenschaftliche Verdienste: Schon während ihrer Doktorarbeit hat Ilme Schlichting, neben biochemischen und NMR-spektroskopischen Untersuchungen, zeitaufgelöste kristallographische Studien durchgeführt. Sie wendete erstmals in eleganter Weise die erst kurz zuvor für die Proteinkristallographie wiederentdeckte Laue-Methode kombiniert mit der Photolyse eines durch chemische Modifikation lichtempfindlich gemachten Substrates zum Starten der Reaktion an. Damit gelang es ihr, über den entscheidenden Zeitabschnitt die Entwicklung der Struktur eines echten Michaelis-Komplexes sowie den Zustand im aktiven Enzymzentrum vor und nach der Hydrolyse darzustellen. Diese Untersuchung war nicht nur methodisch ein Novum, sondern lieferte auch einen wichtigen Beitrag zum strukturellen Verständnis der biologischen Schalterfunktion des untersuchten Enzyms. Im Labor von Gregory Petsko an der Brandeis-Universität in Boston (1990-1992) arbeitete sie an "klassischen" kristallographischen Projekten, wie der Strukturbestimmung von Enzymen oder der regulatorischen Domäne des Myosins, aber auch weiter an zeitaufgelösten kristallographischen Problemen wie der Ligandenbindung an Myoglobin, z. B. von Kohlenmonoxid. Wiederum benutzte sie die Laue-Methode und zugleich monochromatische Synchrotron-Strahlung und erhielt zeitaufgelöste Strukturen mit einer räumlichen Auflösung von 1,5 Å. Die Darstellung der Raumstrukturen von Myoglobin vor, während und nach der Bindung von Karbonmonoxyd stellte nicht nur eine technische Neuerung in der Tieftemperatur-Proteinkristallographie dar, sondern erlaubte auch neue Aussagen über den Mechanismus der Ligandenbindung in Myoglobin im speziellen und der Familie der Hämproteine im allgemeinen. Schlichtings Arbeiten zeigten zum ersten Mal die räumlichen Strukturen der Protein-CO- Intermediate. Sie sind ein Modell für intramolekulare Prozesse mit kleinen enthalpischen Übergängen. Es sind ferner die ersten Untersuchungen über funktionelle Übergänge in atomarer Raumauflösung. Vor einigen Jahren hat sie in aufsehenerregenden Arbeiten einen bei Tieftemperatur durch Röntgenstrahlung erzeugten intermediären Mono-O-Zustand eines P- 450.Kampher.02-Komplexes entdeckt, dessen Existenz für das Verständnis des oxidativen Reaktionszyklus von großer Bedeutung ist. Ihre hierzu im Jahre 2000 veröffentlichte Arbeit in "Science" ist bereits ein Klassiker. Die Leopoldina ehrt Ilme Schlichting mit der Carus- Medaille für ihre kreativen und besonders methodisch bahnbrechenden Arbeiten und möchte sie zu ähnlichen zukünftigen Taten ermutigen. 

Zur Person:
Ilme Schlichting (Jahrgang 1960) hat in Heidelberg Biologie und Physik studiert. Sie spezialisierte sich, ihrer Ausbildung gemäß, anschließend auf biophysikalische Fragestellungen, zunächst mit Untersuchungen an Muskelfasern mittels Röntgen-Kleinwinkelstreuung, über Kernspinresonanz- Spektroskopie, bis hin zu ihrem derzeitigen Arbeitsgebiet, der kinetischen Kristallographie. Ihre Doktorarbeit, angefertigt bei Kenneth Holmes in Heidelberg, wurde 1991 mit der Otto-Hahn- Medaille und dem Karl-Lohmann-Preis ausgezeichnet. Als Feodor-Lynen-Stipendiatin der Alexander-von-Humboldt-Stiftung arbeitete sie von 1990 bis 1992 im Labor von Gregory Petsko an der Brandeis- Universität in Boston an "klassischen" kristallographischen Projekten. Zurück in Deutschland hat sie die kinetische Kristallographie entscheidend vorwärts getrieben, zunächst als Arbeitsgruppenleiterin am Max-Planck- Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg und anschließend, von 1994 bis 2001, am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund. Für ihre Forschungsarbeiten erhielt sie den Schering-Preis (1998) und den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2000). 2001 wurde sie zum wissenschaftlichen Mitglied und zur Direktorin am Max-Planck- Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg berufen. Seit dem Frühjahr 2003 ist sie Leopoldina-Mitglied (Sektion Biochemie und Biophysik).

Preis und Preisvergabe:
Die Preisvergabe erfolgt am 17. Oktober 2003 im Rahmen der feierlichen Eröffnung der Leopoldina- Jahresversammlung in Halle (Saale).
Die Carus-Medaille geht auf eine Stiftung aus Anlass des 50. Professorenjubiläums des XIII. Präsidenten der Akademie Leopoldina, Carl Gustav Carus (1789- 1869), zurück. Sie wurde 1896 erstmals vergeben. Seit 1961 ist sie mit dem von der Stadt Schweinfurt gestifteten Carus-Preis von 5.000 € verbunden. Die Carus-Medaille wird in der Regel an jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für bedeutende naturwissenschaftliche oder medizinische Forschungsleistungen vergeben.

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Julia Klabuhn

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