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Press Release | Friday, 24 August 2001

Presseinformation 20/2001

Öffentliche naturwissenschaftliche Vorträge: "Die Evolution der Damenwahl – Untersuchungen zu Evolution des Paarungssystems der Skorpionsfliegen", "- Das Genom in den Mitochondrien der Pflanzen – Schlüssel zur erfolgreichen Pflanzenzüchtung"

Termin: Dienstag, 25. September 2001, 16.30 Uhr
Ort: Vortragsgebäude der Akademie Leopoldina
Emil-Abderhalden-Straße 36, 06108 Halle (Saale)

  • Zu den Vorträgen:

Prof. Dr. Klaus Peter Sauer, Bonn, Mitglied der Akademie: "Natürliche und sexuelle Selektion und die Evolution des Paarungssystems der Skorpionsfliegen"

Wie setzen sich in der Natur die Fittesten durch, wie gelingt es ihnen, mehr Nachkommen zu erzeugen als unterlegene Artgenossen? Diesen Fragen gehen Evolutionsbiologen aus der Arbeitsgruppe von Klaus Peter Sauer am Beispiel des Modellorganismus der in Europa heimischen Skorpionsfliege Panorpa vulgaris nach und finden wissenschaftlich quantifizierbare Gründe. Sauer wird in seinem Vortrag erläutern, dass weibliche Skorpionsfliegen die zeitliche Dauer eines Paarungsaktes davon abhängig machen, wie sehr sie vom männlichen Partner durch "Brautgaben" verwöhnt werden. So halten Köder in Form von Insekten, je größer desto besser, Weibchen beim Paarungsakt bei Laune. Als noch effizienter erweist sich aber Speichel, den Männchen während des Paarungsaktes produzieren und den Weibchen offerieren. Hört die Speichelproduktion auf oder wird überhaupt kein "Brautgeschenk" angeboten, bricht das Weibchen den Paarungsakt nach kürzester Zeit ab. Sauer konnte zeigen, dass während des Paarungsaktes kontinuierlich Spermien fließen, die das Weibchen in einer Samentasche sammelt. Je länger der Akt also dauert, desto mehr Spermien werden übertragen. Wie kommt es nun zur Selektion für den Fittesten? Sauer konnte nachweisen, dass männliche Skorpionsfliegen, die bei Zweikämpfen oder dem Ergattern von Futter überlegen, d.h. fitter sind, bei der Paarung auch mehr und länger Speichel produzieren können und daher auch eine längere Paarungszeit erzielen. Molekularbiologische und genetische Analysen der Nachkommen eines Geleges haben darüber hinaus gezeigt, dass sich weibliche Skorpionsfliegen innerhalb kürzester Zeit mit bis zu neun Partnern gepaart hatten. Bei der Befruchtung der Eier haben damit fittere Partner, die längere Paarungszeiten erzielen und mehr Samen hinterlassen können, größere Chancen, sich mit Nachwuchs durchzusetzen.

Prof. Dr. Axel Brennicke, Ulm, Mitglied der Akademie: "Das Genom in den Mitochondrien der Pflanzen"

Es ist lange bekannt, dass alle Funktionen eines Organismus auf dem Informationsgehalt der Erbsubstanz (DNA) basieren. Denn sie enthält in verschlüsselter Form die Anleitung zur Herstellung aller Eiweißstoffe einer Zelle. Diese wiederum bestimmen den Bau und die Funktion eines Organismus. Zwar ist in höheren Organismen der größte Teil der DNA (99 Prozent) im Zellkern (Kern-DNA) vorhanden, nur etwa 1 Prozent befinden sich in den Mitochondrien (mt-DNA), den Organellen, die der biologischen Krafterzeugung der Zellen dienen. Gerade bei Pflanzen kommt dieser mt-DNA jedoch eine ganz einzigartige Rolle zu. Sie spielt, wie man seit kurzem weiß, zum Beispiel für die erfolgreiche Züchtung von Hochleistungssorten einzelner Nutz- und Zierpflanzen eine große Rolle. Denn Veränderungen der mt-DNA beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit der (männlichen) Pollen bis hin zur vollständigen Unfruchtbarkeit. Dies nutzt man in der Züchtungsforschung gezielt für die Herstellung ertragreicher Mischlinge (Hybridsorten), indem eine unfruchtbare Elternlinie gezielt mit Pollen einer anderen Linie bestäubt wird. Um in Zukunft noch gezielter Züchtungen vornehmen zu können, die auf Veränderungen der mt-DNA basieren, ist es notwendig, die zugrundeliegenden biochemischen, zellbiologischen und physiologischen Prozesse der Funktion von mt-DNA zu verstehen. Hier setzen die grundlagenwissenschaftlichen Pionierarbeiten von Axel Brennicke an. Er wird in seinem Vortrag erläutern, welche Eiweiße von der mt-DNA kodiert werden, welche Prozesse stattfinden, damit aus der mt-DNA funktionsfähige Eiweiße werden (RNA-Editing), ein Prozess, der fast ausschließlich in pflanzlichen, kaum aber in tierischen Zellen stattfindet. Er wird auch auf das enge Zusammenspiel von Kern-DNA und mt-DNA und deren Produkten eingehen, das erst das geordnete Funktionieren der Pflanze bewirkt.

  • Zu den Referenten:

Klaus Peter Sauer ist Biologe. Von 1979 bis 1992 war er C4-Professor für Evolutionsbiologie an der Universität Bielefeld. Seit 1992 ist er C4-Professor für Zoologie und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Evolutionsbiologie und Ökologie der Universität Bonn. Er ist in zahlreichen nationalen akademischen Gremien tätig und hat sich als Präsident der Deutschen Zoologischen Gesellschaft (1994-1996) bzw. mit der Herausgabe Zoologischer Jahrbücher besonders verdient gemacht. Seit 1999 ist er Mitglied der Akademie Leopoldina (Sektion Ökowissenschaften).

Axel Brennicke ist Biologe. Er wurde 1988 auf den Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie der Freien Universität (FU) Berlin berufen, war von 1989 bis 1994 in Personalunion Professor mit Lehrstuhl für Molekularbiologie der FU Berlin und Geschäftsführer am Institut für Genbiologische Forschung GmbH Berlin und hat seit 1994 den Lehrstuhl für Allgemeine Botanik der Universität Ulm inne. Er war mehrmals als Gastprofessor an ausländischen Universitäten tätig, u.a. in Paris, Calabria und Kyoto, ist in verschiedenen in- und ausländischen akademischen Gremien tätig und erhielt Ehrungen wie den CIBA-Geigy ACE Award (1990) und den Prix Ministere de l’enseignement superieur et de lá recherche – Fondation Alexander-von-Humboldt (1993). Seit 1999 ist er Mitglied der Akademie Leopoldina (Sektion Genetik/Molekularbiologie und Zellbiologie).

  • Zur Akademie Leopoldina:

Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina (gegründet 1652 in Schweinfurt) mit Sitz in Halle/Saale (seit 1878) ist eine überregionale Gelehrtengesellschaft mit gemeinnützigen Aufgaben und Zielen. Sie ist die älteste naturwissenschaftliche Akademie in Deutschland. Sie trägt durch die Jahresversammlungen, fachspezifische Meetings und Symposien, monatliche Vortragssitzungen und die vielfältigen persönlichen Kontakte der Mitglieder "zum Wohle des Menschen und der Natur" bei. Ihr gehören derzeit 1000 Mitglieder in aller Welt an. Zwei Drittel der Mitglieder kommen aus den Stammländern Deutschland, Schweiz und Österreich, ein Drittel aus weiteren ca. 30 Ländern. Zu Mitgliedern werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen gewählt, die sich durch bedeutende Leistungen ausgezeichnet haben.

Die Leopoldina wird von einem ehrenamtlichen Präsidium geleitet. Präsident der Leopoldina ist seit 1990 der Biologe Prof. Dr. Benno Parthier (Halle/Saale). Vizepräsidenten sind derzeit der Psychologe Prof. Dr. Paul Baltes (Berlin), der Chemiker Prof. Dr. Gunter Fischer (Halle/Saale), der Virologe Prof. Dr. Volker ter Meulen (Würzburg) und der Chemiker Prof. Dr. Ernst-Ludwig Winnacker (München). Letzterer ist zugleich Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bonn. Die laufenden Geschäfte der Leopoldina führt eine Generalsekretärin, die Neurobiologin Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug. Die Leopoldina erhält ihre finanziellen Zuwendungen für die satzungsgemäßen Aufgaben zu 80 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und zu 20 Prozent vom Land Sachsen-Anhalt.

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Julia Klabuhn

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