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Press Release | Tuesday, 22 January 2008

Die Akademie Leopoldina spricht sich erneut für die Novellierung des Stammzellgesetzes aus

Die Stammzellforschung ist ein relativ junges, sich schnell entwickelndes Forschungsfeld. Diese Dynamik wird auch daran deutlich, dass in kurzen Abständen immer wieder „Durchbrüche“ gemeldet werden. Wissenschaftlern ist es in jüngster Vergangenheit gelungen, differenzierte Körperzellen in pluripotente, zur Neudifferenzierung fähige Stammzellen zu reprogrammieren. Diese als induzierte pluripotente Stammzellen (ipS-Zellen) bezeichneten Zelllinien lassen sich ähnlich wie embryonale Stammzellen vermehren und in die verschiedensten Gewebetypen des Körpers differenzieren. Können diese Zellen in Zukunft humane entkernte Eizellen ersetzen, die die Grundlage für Methoden des Kerntransfers (auch „therapeutisches“ oder „Forschungs-Klonen“ genannt) bilden? Dies erscheint möglich und wäre aufgrund der ethischen Bedenken, die mit diesem Verfahren verbunden sind, durchaus wünschenswert. Können diese Zellen auch den Einsatz von humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) ersetzen, die aus überzähligen Embryonen der in-vitro-Fertilisation stammen? Gegner der Forschung an hES-Zellen sehen diese nun auch als entbehrlich an. Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina stellt hierzu fest, dass diese Schlussfolgerung wissenschaftlich nicht gerechtfertigt ist. Der einzige Weg zur Klärung, welche Hoffnungen und Befürchtungen berechtigt sind, ist eine breite Grundlagenforschung.

Bereits in ihrer Stellungnahme vom April 2007 hat die Leopoldina die Gründe dargelegt, die für den Einsatz einer neuen Generation von hES-Zellen sprechen. Diese neue Generation von standardisierten hES-Zelllinien steht Wissenschaftlern in Deutschland nicht zur Verfügung, da sie nach dem im Stammzellgesetz festgelegten Stichtag vom 1.1.2002 gewonnen wurde. Um der deutschen Wissenschaft die Forschung und Entwicklung therapeutischer und diagnostischer Verfahren mit Hilfe von Stammzellen zu ermöglichen und internationale Kooperationen auf diesen Gebieten nicht zu behindern, hat die Leopoldina in ihrer Stellungnahme u. a. für eine Aufhebung des Stichtages zum Import von humanen hES-Zellen plädiert.

Das Präsidium der Leopoldina hat sich bei seiner Sitzung im Januar 2008 in Berlin erneut mit der Novellierung des Stammzellgesetzes befasst und stellt zu dem aktuellen Thema der Reprogrammierung von adulten Zellen fest, dass für die Erforschung der Mechanismen der Reprogrammierung und damit zur Entwicklung therapeutisch und diagnostisch anwendbarer Verfahren der Einsatz von neuen, qualitativ hochwertigen und standardisierten hES-Zellen nach wie vor notwendig ist. In diesem Zusammenhang stellt die Leopoldina fest, dass sie die kürzlich von einer amerikanischen Arbeitsgruppe in der Zeitschrift „Stem Cells“ publizierten Experimente zum Kerntransfer für keine Alternative zur Reprogrammierung von Körperzellen hält.

Die Reprogrammierung von adulten Zellen wird unter anderem durch Einschleusen bestimmter Gene mittels Viren möglich. Die Produkte der eingeschleusten Gene steuern eine zelluläre Entwicklung zurück in den pluripotenten Status. Dieser ist dem Status der hES-Zellen ähnlich. Es muss insbesondere betont werden, dass dieses Verfahren wegen des Risikos der Bildung von Tumoren für eine therapeutische Anwendung nicht geeignet ist. Insbesondere die Analyse der Pluripotenzfaktoren und epigenetischen Mechanismen macht vergleichende Forschung an standardisierten hES-Zellen zumindest im Entwicklungsstadium unumgänglich.

Mit dieser Erklärung erneuert und bekräftigt die Leopoldina ihre Empfehlung. Die Akademie stellt fest, dass nur eine Änderung des Stichtages die Möglichkeit eröffnen würde, auch solche hES-Zellen zu importieren, die nach dem 1.1.2002 isoliert und in internationalen Zellbanken hinterlegt worden sind. Die jüngsten Erkenntnisse lassen erwarten, dass diese hES-Zelllinien für die Entwicklung neuer regenerativer Therapien und diagnostischer Verfahren unumgänglich sein werden. Ihre Verwendung rückt zunehmend das Argument der Ethik des Heilens in den Vordergrund, dem sich die Leopoldina mit ihrem Leitgedanken „Die Natur zu erforschen zum Wohle des Menschen“ besonders verpflichtet fühlt.

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