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Nachricht | Mittwoch, 1. August 2018

Leopoldina-Präsident Jörg Hacker zum EuGH-Urteil über molekulare Pflanzenzüchtung

Leopoldina-Präsident Jörg Hacker zum EuGH-Urteil über molekulare Pflanzenzüchtung

Foto: Erwin Wodicka / fotolia

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zur Richtlinie für das europäische Gentechnikrecht geurteilt: Mittels Genome Editing gewonnene Pflanzen, die auch durch konventionelle Methoden hätten gezüchtet werden können, dürfen nicht unter denselben Bedingungen wie diese in den Verkehr gebracht werden, sondern müssen wie gentechnisch veränderte Organismen behandelt werden.

„Damit weist der EuGH in eine andere Richtung als diejenige, welche die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und zahlreiche andere Forschungsinstitutionen seit langem vorgeschlagen haben: Nicht das Züchtungsverfahren sollte für den Gesetzgeber ausschlaggebend sein, sondern das Produkt“, sagt Leopoldina-Präsident Prof. Dr. Jörg Hacker.

Hacker ergänzt zu den möglichen Auswirkungen des Urteils: „Darüber hinaus müssen wir abwarten, wie sich das EuGH-Urteil auf die Chancen für die molekulare Pflanzenzüchtung in Europa auswirkt, insbesondere auch auf kleinere Biotech-Unternehmen, die vorteilhafte, etwa trockentolerante oder schädlingsresistente Pflanzensorten auf den Markt bringen möchten."
 
Auch über die Vermarktung genom-editierter Pflanzen in Europa äußert sich der Leopoldina-Präsident: „Die rigide EuGH-Entscheidung bedeutet für Biotech-Unternehmen einerseits Rechtssicherheit, nämlich, dass jede genom-editierte Pflanzensorte unabhängig von der eigentlichen Veränderung den langwierigen, sehr kostenintensiven Zulassungsprozess der EU durchlaufen muss, um hier auf den Markt zu gelangen. Gleichzeitig bedeutet die strenge Einordnung aller genomeditierten Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO), dass man diese aufgrund mangelnder Akzeptanz, die mit diesem GVO-Begriff einhergeht, hier nicht gewinnbringend vermarkten kann. Damit wird die Erforschung und Entwicklung vorteilhafter Pflanzen in Europa mittels Genome Editing unattraktiv und bleibt entweder ganz aus oder die Firmen wandern ab, beispielsweise in die USA, wo solche Pflanzen schon wie konventionell gezüchtete Sorten reguliert werden.“
 
Jörg Hacker fügt mit Blick auf die Zukunft hinzu: „Die Leopoldina ist nach wie vor der Meinung, dass die neuen molekularen Züchtungsmethoden weitaus präziser und sicherer sind als nicht regulierte konventionelle Züchtungsmethoden, wie die Strahlenmutagenese. Da die Richter nach geltender Rechtslage geurteilt haben, könnten wir die großen Potentiale der neuen Methoden für die Landwirtschaft wohl nur durch eine Rechtsänderung ausschöpfen. Diese wird politisch meines Erachtens so bald nicht umzusetzen sein.“
 
Die Leopoldina hat zu dem Themenkomplex eine Expertenliste mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern veröffentlicht, die als Ansprechpartner für Recherchen und Interviews zu verschiedenen Themen der Pflanzengenetik und der Pflanzenzüchtung zur Verfügung zu stehen.

Publikationen zum Thema

Stellungnahme „Chancen und Grenzen des genome editing” (2015)

Stellungnahme zur Grünen Gentechnik (2015)

EASAC Statement “Genome editing: scientific opportunities, public interests and policy options in the European Union” (2017)