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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

1.   Die Computermodellierung von Sprachverhalten als Schlüsselproblem Sprachverhalten ist eine definierende Eigenschaft unserer Spezies. Seit etwa 60 Jahren be- schäftigen sich Informatiker mit den Fragen: (1.) Können Computermodelle natürliches Sprachverhalten analysieren, vorhersagen und simulieren? (2.) Können Computersysteme zu echten Dialogpartnern des Menschen werden? Die Fortschritte im Bereich der Computerlinguistik (vgl. ALLEN 1994, COLE et al. 1997, JU- RAFSy und MARTIN 2000) und der Künstlichen Intelligenz (vgl. RUSSEL und NORVIG 2009) haben uns in den letzten 30 Jahren einer positiven Beantwortung dieser Fragen näher gebracht. Damit erscheint der uralte Menschheitstraum, mit den Dingen sprechen zu können, realisierbar zu werden. Dieser Beitrag zeigt, wie es durch die Computermodellierung von Sprachverhalten schon heute möglich wird, mit Autos, Robotern und Weinflaschen einfache Dialoge in Um- gangssprache zu führen, wie dies im Titel suggeriert wird. Da die menschliche Sprachfähigkeit eine Vielfalt von Wechselwirkungen mit anderen kognitiven Fähigkeiten wie Bildverstehen, Problemlösen, Schlussfolgern, Lernen und Planen aufweist, wird die Computermodellierung von Sprachverhalten als eines der Schlüsselprobleme der Künstlichen Intelligenz (KI) und Kognitionswissenschaft angesehen. Um eines der ehrgeizigsten wissenschaftlichen ziele un- seres zeitalters zu erreichen, werden in interdisziplinärer zusammenarbeit folgende Fragen erforscht: (1.) Wie wird Sprache vom Menschen verstanden, erlernt und generiert? (zusammen mit Psy- cho- und Neurolinguistik) (2.) Wie können Sprach-, Bedeutungs- und Dialogstrukturen mathematisch-logisch beschrie- ben werden? (zusammen mit Linguistik, Sprachphilosophie, Semiotik und Kommunika- tionswissenschaft) (3.) Wie können die für intelligentes Sprachverhalten benötigten kognitiven Leistungen ma- schinell verfügbar gemacht werden? (zusammen mit anderen Teilgebieten der Künstlichen Intelligenz und Kognitionswissenschaft) (4.) Wie können effiziente sprachverstehende und -generierende Softwaresysteme realisiert werden? (zusammen mit Computerlinguistik und Softwaretechnik) Sprache ist nicht nur das Hauptmedium für Information und Kommunikation, sondern auch Werkzeug bei der Arbeit und sozialem Handeln. Daher kommt der maschinellen Analyse von Sprache und Sprachdialogsystemen in der Informations- und Internetgesellschaft eine Schlüs- selrolle zu, weil nur so die Mehrzahl der sprachlich codierten Inhalte einer automatisierten Weiterverarbeitung zugeführt werden können. Sprache kann nicht nur akustisch und schrift- lich, sondern auch gestisch (z. B. Gebärdensprache für Gehörlose) und haptisch (z. B. Blin- denschrift) codiert werden, wobei bis auf den Fall der Tastatureingabe zunächst immer eine akustische oder visuelle Signalverarbeitung stattfinden muss, bevor die Struktur und Bedeu- tung einer äußerung durch Symbolverarbeitung auf dem Computer verarbeitet werden kann. Mit der heute verfügbaren Sprachtechnologie können prinzipiell all diese Modalitäten der Sprache mit Computersystemen analysiert und generiert werden, wobei die maschinellen Sys- teme auf der Analyseseite hauptsächlich aufgrund der Unsicherheiten bei der Signal-Symbol- Transformation und des Umfangs an erforderlichem Kontext- und Weltwissen allerdings bei weitem noch nicht die Robustheit und Qualität menschlichen Verstehens erreichen. Mit den Dingen sprechen: Autos, Roboter und Weinflaschen als Dialogpartner? Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 119–141 (2011) 121