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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

legender zellulärer Lebensprozesse in Form von Proteinkomplexen bestätigt werden (KüHNER et al. 2009). Die Mehrzahl der zellulären Leistungen findet in Form solcher Komplexe statt, die darüber hinaus in „Superkomplexen“ miteinander interagieren können. Beispielsweise ar- beiten die Ribosomen mit einem Komplex von Aminoacyl-tRNA-Synthetasen zusammen, die für die geordnete Bereitstellung aller Aminoacyl-tRNA am translationsaktiven Ribosom zu- ständig sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Mehrzahl der Proteine zu- nächst in Basiskomplexen zusammenfindet, die mit anderen übergeordnete Funktionskom- plexe bilden, um am Ende das Leben einer zelle als dynamisches, hoch organisiertes Protein- netzwerk ablaufen zu lassen. Diese Organisation des Proteinnetzwerkes in seiner Kinetik und in seinen Mechanismen zu begreifen, beispielsweise die Frage zu beantworten, welche Rolle zelluläre Chaperone in demAssemblierungsprozess spielen, dürfte eine große Herausforderung zellbiologischer Arbeiten der zukunft sein. Mit einem letzten funktionellen Aspekt soll dieses Kapitel abgeschlossen werden. Insbe- sondere die komplexen Mechanismen der Genregulation sichern, dass Proteine in der zelle in der richtigen Menge und am richtigen Ort immer dann bereitgestellt werden, wenn sie be- nötigt werden. Was passiert nun, wenn sich die Bedürfnisse der zelle ändern und die Proteine nicht mehr in dem Maße oder gar nicht mehr gebraucht werden, beispielsweise, wenn die zelle wegen Nährstoffmangels aus dem Wachstums- in den Nichtwachstumszustand gezwun- gen wird, ein in allen natürlichen ökosystemen sehr häufig vorkommender Vorgang. Mit einem gelbasierten Proteomansatz haben wir genau diese Frage für Modellbakterien (B. sub- tilis, S. aureus) verfolgt. Wenn zellen wegen Glucosehunger in diesen Nichtwachstumszustand versetzt werden, dann lässt sich ein sehr zügig einsetzender, vermutlich geordneter Abbau von Proteinen nachweisen, die für zahlreiche anabole Reaktionen lediglich in der wachsenden, nicht aber in der nichtwachsenden zelle benötigt werden. Auch Ribosomen, die dann nur noch in begrenzter Anzahl zur Translation gelangen, werden nicht mehr in dem Maße benötigt und folglich abgebaut, sicher eine entscheidende Nährstoffreserve für die hungernde zelle (GERTH et al. 2009, BECHER et al. 2009). Unsere Arbeitshypothese geht davon aus, dass „arbeitslose Enzyme“, nicht mehr länger durch Integration in funktionelle Komplexe geschützt, den pro- teolytischen Systemen wie der Clp-Maschinerie schutzlos ausgesetzt sind und schließlich zer- stört abgebaut werden. Die Idee ist, dass biologisch aktive Proteine die Bildung von Proteinaggregaten befördern und dass – nach zerfall der Komplexe im nicht aktiven zustand – hydrophobe Protein-Interaktionsflächen frei zugänglich und damit von Clp-Proteasen er- kannt werden, eine Hypothese, die jedoch einer experimentellen überprüfung bedarf. 7.   Ausblick Die Frage nach dem Leben ist so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst. Diese zentrale, die Menschen bewegende Frage finden wir von der Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit. Dabei wird das vergangene Jahrhundert als solches in die Geschichte der Wissenschaften ein- gehen mit dem großen Anspruch, die Fragen nach den grundlegenden molekularen Mecha- nismen der Lebensprozesse weitgehend beantwortet zu haben. So könnte der Vortrag mit einem selbstgefälligen oder eher demütigen Grundtenor beendet werden. Verblendet durch den enormen Fortschritt, der zweifelsfrei in den vergangenen 50 Jahren erreicht wurde, könnte man sagen: Für viele unbemerkt, vollzieht sich zurzeit eine Re- volution. Die uralte Frage nach den molekularen Mechanismen des Lebens kann heute weit- Von der Proteomanalyse zur Systembiologie bakterieller Modellorganismen Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 143–165 (2011) 163