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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

man Alan TURINGS Arbeiten zur chemischen Musterbildung (TURING 1952) ansehen. zwanzig Jahre später formulierten Alfred GIERER und Hans MEINHARDT (GIERER und MEINHARDT 1972, MEINHARDT 1982, GORDON und BELLOUSOV 2006) ein molekularbiologisches Modell der bio- logischen Morphogenese, wobei anstelle einer mathematischen Analyse systematische Com- puteruntersuchungen in Form der numerischen Integration partieller Differentialgleichungen traten. Die Experimente von Sol SPIEGELMAN zur Evolution von RNA-Molekülen im Rea- genzglas (MILLS et al. 1967, SPIEGELMAN 1971, JOyCE 2007) wurden etwa gleichzeitig durch- geführt mit Manfred EIGENS Entwicklung einer Theorie der Evolution auf molekularer Basis (EIGEN 1971, EIGEN und SCHUSTER 1977, 1978a, b). Die Modellierung molekularer Evolu- tionsprozesse begann von Anfang an mit einer Kombination mathematischer Analysen und numerischer Integration am Computer. Im selben Jahr, in dem TURING seine Arbeit zur Morphogenese veröffentlichte, erschien Alan HODGKINS und Andrew HUXLEyS (1952) bahnbrechende Publikation zur Leitung elek- trischer Impulse in den Axonen der Nervenzellen oder Neuronen. Die empirisch begründete und auf den Kenntnissen der elektrischen Leitung in mit Elektrolyt gefüllten Röhren aufbau- ende Hodgkin-Huxley-Gleichung ist eine nichtlineare partielle Differentialgleichung, welche es gestattet, durch numerische Integration die Gestalt und die Ausbreitungsgeschwindigkeit des propagierenden Pulses gleichzeitig zu bestimmen. Man kann heute mit Recht behaupten, dass die Hodgkin-Huxley-Gleichung am Beginn einer theoretischen Neurobiologie steht. Die Entwicklung der Neurobiologie war in jeder Hinsicht rasant und beeindruckend. (Als ein ein- führendes und umfassendes Lehrbuch sei das Werk KANDEL et al. 2000 genannt.) Neuronen sind insbesondere in den Gehirnen von Säugetieren zu stark verknüpften Netzwerken zusam- mengeschlossen. Reale neuronale Netzwerke sind aus zwei Gründen schwer zu modellieren: – Die zahl der Neuronen ist sehr groß und dies auch in verhältnismäßig einfachen Gehirnen; und – die Schaltmuster, in welchen aktivierende und inhibierende Neuronen zusammenwirken, sind überaus komplex. Ein stark vereinfachtes und auf die primitivsten Input-Ouput-Relationen reduziertes Neuron wurde von John HOPFIELD (1982) als Basis für die Untersuchung von diversen Netzwerkschal- tungen eingeführt. Aus derartigen Hopfield-Netzwerken entwickelte sich die erfolgreiche Si- mulationsmethode der neuronalen Netzwerke. Der berühmte Strukturvorschlag für die DNA (WATSON und CRICK 1953) und die ersten beiden Strukturaufklärungen von Proteinen (Myoglobin: KENDREW et al. 1960, Hämoglobin: PERUTz et al. 1960) begründeten die Strukturbiologie und eröffneten ein neues Gebiet in der theoretischen Biologie: die Computer gestützte Berechnung von Biopolymerstrukturen. Die Strukturanalyse einsträngiger RNA-Moleküle hinkte etwas nach und nahm ihren Anfang mit den Strukturen der tRNAs (Sekundärstruktur: HOLLEy et al. 1965, 3D-Struktur: KIM et al. 1974, ROBERTUS et al. 1974). In Chemie und Physik wurden und werden quantenchemische Ab-initio-Rechenverfahren erfolgreich zur Strukturbestimmung verwendet (siehe z. B. RA- MACHANDRAN et al. 2008). Für Ab-initio-Rechnungen sind die Biomoleküle (zumindest zurzeit) noch viel zu groß. Andere Methoden, welche entweder von empirischen, zumeist thermody- namischen Daten ausgehen und ebenso wie die Ab-initio-Verfahren die molekulare Struktur durch Minimieren der freien Energie bestimmen oder aus den Strukturen von sequenzver- wandten Molekülen auf die Struktur des zu untersuchenden Moleküls schließen (MARTí- RENOM et al. 2000), sind erfolgreich. Mit Mathematik und Computer auf Entdeckungsreisen in der Evolutionsbiologie Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 167–211 (2011) 171