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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

wird im Allgemeinen nicht selektiert, und mehrere Varianten verbleiben auch im Grenzwert langer zeiten in der Population. Obwohl das Darwinsche Prinzip der natürlichen Auslese sehr klar formuliert ist und unschwie- rig in ein mathematisches Gewand gehüllt werden kann, stieß es sowohl in der britischen Ge- sellschaft der 19. Jahrhunderts als auch bei den Fachkollegen auf einigen Widerstand. Das gesellschaftlich-religiöse Problem hatte in erster Linie damit zu tun, dass die Darwinsche Evo- lutionstheorie den Menschen seiner Funktion als „Krone der Schöpfung“ entthronte. Die Kritik der Biologen zielte u. a. auf den Optimierungsaspekt ab: Wodurch lässt sich die Annahme be- legen, dass die in der Natur beobachtbaren Arten und Individuen tatsächlich optimiert sind. Trotz vieler klärender Fortschritte erweist sich diese Frage auch 150 Jahre nach dem Erschei- nen von DARWINS Origin of Species als ein nicht triviales Problem, zu dem wir später noch zurückkehren werden (Abschnitt 5.2.1). 3.3 Gregor Mendels Erbsenstatistik Im dritten Beispiel tritt ein typisches Merkmal biologischer Gesetzmäßigkeiten zu Tage: Viele zusammenhänge können nicht im Einzelexperiment erkannt werden, und es bedarf einer Viel- zahl von Wiederholungen unter kontrollierten Bedingungen, um die Regelmäßigkeiten heraus- zuarbeiten. Der Augustinermönch Gregor Johann MENDEL (Erbsen: MENDEL 1866 und Habichtskraut: MENDEL 1870) machte als Erster gezielte Versuche zur Vererbung von Merk- malen in Pflanzen an der Gartenerbse Pisus sativum, entdeckte und begründete mit seinen Ar- beiten die Genetik. In Experimenten vermied er durch kontrollierte Befruchtungstechnik unerwünschte Fremdbestäubung. MENDEL untersuchte sieben verschiedene Merkmale und fand für zwei dominant/rezessive Allelpaare3 , Form der Früchte und Farbe des Endosperms, die aus- gezählten Verhältnisse 5474/1850 = 2,96 und 6022/2001 = 3,01, woraus er korrekterweise auf das idealisierte Verhältnis 3:1 schloss. Die erhaltenen Verhältnisse bei den anderen fünf Merk- malen lagen zwischen 2,84 und 3,16. MENDELS Experimente involvierten rund 29000 Pflanzen und bilden ein wahres Musterbeispiel für die bei statistischen Gesetzen notwendige Vorgangs- weise. Aus der Auswertung von MENDELS Beobachtungen resultieren drei Gesetze: – Das Uniformitätsgesetz: Die Nachkommen von homozygoten, rein- oder gleicherbigen In- dividuen sind untereinander gleich. – Das Spaltungsgesetz: Die Nachkommen einer Kreuzung mischerbiger Individuen sind nicht gleichförmig, sondern spalten ihr Erscheinungsbild in einem bestimmten zahlenverhältnis auf. – Das Gesetz der freien Kombinierbarkeit der Gene: Im Fall zweier oder mehrerer Merkmale gilt die freie Kombinierbarkeit, d. h., die Merkmale werden unabhängig voneinander kom- biniert. Das Gesetz gilt nur – wie wir heute wissen –, wenn die Gene für die Merkmale auf verschie- denen Chromosomen liegen, was bei den von MENDEL untersuchten Erbsen der Fall war. Mit Mathematik und Computer auf Entdeckungsreisen in der Evolutionsbiologie Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 167–211 (2011) 177 3 Unter einem Allel versteht man eine Variante eines Gens. Beispielsweise produziert ein Allel (A) runde und ein anderes (a) runzelige Erbsenfrüchte. Jedes Individuum erhält ein Allel vom Vater- und ein Allel von der Mutter- pflanze. Im Fall eines dominant/rezessiven Merkmals bilden AA, Aa und aA runde und nur aa runzelige Erbsen- früchte aus, wodurch das Verhältnis 3:1 erklärt ist.