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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Betrachten wir die Ergebnisse Gregor MENDELS mit den Kenntnissen der modernen Moleku- largenetik, so ergeben sich einfache Erklärungen aus dem molekularen Mechanismus der Meiose, der durch Crossing-over zur Rekombination der Erbanlagen führt (ALBERTS et al. 2008). Gleichzeitig werden die Mendelschen Gesetze als Regeln erkannt, welche nur im Grenzfall unabhängiger Gene gültig sind. Dies ist im Allgemeinen gewährleistet, wenn die Gene auf verschiedenen Chromosomen situiert sind. Wenn sie auf demselben Chromosom lie- gen, kann freie Kombinierbarkeit nur dann erfüllt sein, wenn die Genorte auf der DNA-Se- quenz hinreichend weit voneinander entfernt sind. Das molekularbiologische Wissen liefert nicht nur eine mechanistische Erklärung der Mendelschen Gesetze, sondern sagt auch die em- pirisch beobachteten Abweichungen korrekt voraus. Die Bedeutung der Befunde Gregor MENDELS wurde von seinen zeitgenossen nicht er- kannt, was wegen der mangelnden Mathematikausbildung der Biologen nicht verwundern sollte: Obwohl die Anwendung statistischer Methoden bis in das 17. Jahrhundert zurückreicht, ist die mathematische Statistik eine relativ junge Wissenschaft. Sie nahm ihre Anfänge um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, und einer der Väter dieser Disziplin, Karl PEARSON, wurde erst im Jahre 1911 der Vorstand des Departments of Applied Statistics am University College London, des weltweit ersten Departments für Statistik. Aus dieser historischen Per- spektive heraus kann man verstehen, dass MENDELS Arbeiten fast 40 Jahre warten mussten, um in ihrer grundlegenden Bedeutung erkannt zu werden. 3.4 Ronald Fishers Fundamentaltheorem der natürlichen Auslese Eine bahnbrechende Leistung von Ronald FISHER in der Evolutionsbiologie ist die Tatsache, dass es ihm gelang, die Darwinsche Selektion und die Mendelsche Vererbung in einem ma- thematischen Formalismus zusammenzuführen und dabei zu zeigen, dass (in einfachen Fällen) ein Optimierungsprinzip auch für die sexuelle Reproduktion gilt (FISHER 1930). In einer Po- pulation seien n verschiedene Allele, (A1, A2, ... , An) mit den Häufigkeiten x1, x2, ... , xn für ein bestimmtes Gen vorhanden. Ein diploider Organismus trägt zwei Allele von jedem Gen, beispielsweise AiAj. Fitnesswerte werden den Allelkombinationen zugeordnet: aij = f(AiAj). Da in der konventionellen Genetik davon ausgegangen wird, dass die genetisch bedingten Ei- genschaften eines Individuums unabhängig davon sind, ob das Allel eines autosomalen4 Gens vom Vater oder von der Mutter vererbt wurde. Dadurch gilt für die Fitness: f(AiAj) = f(AjAi) und dementsprechend aij = aji; die Matrix der Fitnesskoeffizienten A = {aij} ist symmetrisch. Ohne weitere Probleme lässt sich eine Differentialgleichung für die zeitliche Entwicklung der Allelverteilung eines Genortes in der Population angeben: mit und . [9] Ebenso wie im vorhin besprochenen Fall der asexuellen Vermehrung kann gezeigt werden, dass die mittlere Fitness φ(t) eine nicht abnehmende Funktion der zeit ist: . [10] Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 167–211 (2011) Peter Schuster 178 4 Mit dem Begriff Autosom bezeichnet man alle Chromosomen mit Ausnahme der Geschlechtschromosomen, die beim Menschen die Konfigurationen XX (weiblich) und Xy (männlich) aufweisen. ! dxi dt = xi aij xj "j t( )j=1 n #( ) ! d dt j t( )= 2var a{ }" 0 ! j t( ) = aij xj xij=1 n "i=1 n " ! xi = 1 i=1 n "