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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

„Computational Chemistry“ erstmals eine weltweite Beachtung außerhalb der Quantenchemie fand (RAMACHANDRAN et al. 2008). Eine zweite Gruppe von Modellen, welche unter den zweiten Punkt fallen, bilden die Al- gorithmen: Ein Sachverhalt kann zwar nicht in eine lösbare Gleichung gebracht werden, aber dennoch ist eine iterative, rekursive oder anders aufgebaute schrittweise Annäherung an eine Lösung möglich. Algorithmen können zur exakten Lösung konvergieren oder eine Approxi- mation berechnen. Die dynamische Programmierung ist ein oft gebrauchtes Beispiel für eine algorithmische Vorgangsweise. Diese Technik benutzende Methoden werden u. a. für die Be- rechnungen von optimalen Alignments von DNA-, RNA- oder Proteinsequenzen ebenso wie für die Vorhersage von RNA-Sekundärstrukturen verwendet. Exploratorische Computermodelle schließlich erfüllen einen anderen, eine dritten zweck. Sie gehen dem mechanistischen oder mathematischen Verstehen von Sachverhalten voraus und versuchen, durch die Erarbeitung von einfach zu modellierenden und analysierbaren zu- sammenhängen die Möglichkeiten einer rigorosen Problembehandlung vorzubereiten. Im Be- reich der Evolutionsforschung werden u. a. spezielle Computermodelle, die Prozesse durch die Belegung von Speicherplatz in der CPU darstellen, dazu verwendet, Evolutionsdynamik zu simulieren und zu analysieren (Abschnitt 5.1). Spezielle Beispiele exploratorischer Modelle sind Computerspiele nach vorgegebenen Regeln. Das berühmteste Beispiel dieser Art ist ein zweidimensionaler zellulärer Automat,5 John CONWAyS Game of Life6 (GARDNER 1967):Auf einem im Prinzip unendlichen Spielbrett mit Schachbrettmuster befinden sich einzelne Partikel, die jeweils ein quadratisches Feld be- legen. Ausgehend von einer Anfangskonfiguration werden neue Konfigurationen, Generation für Generation, nach vorgegebenen einfachen Regeln berechnet. Diese Regeln betreffen än- derungen in der Belegung der Felder: Ein belegtes Feld kann in der nächsten Generation be- legt bleiben oder leer werden, und umgekehrt kann ein leeres Feld in der nächsten Generation belegt werden oder leer bleiben: Je nach der Belegungsdichte in der Umgebung eines Feldes überlebt die Belegung und bleibt in der nächsten Generation bestehen, oder das Feld wird frei (Abb. 3). Aus der Anfangskonfiguration evolviert die Belegung der Felder nach diesen einfachen Regeln. In den meisten Fällen endet ein Lauf nach einigen Generationen entweder durch Aussterben oder durch Erreichen einer stabilen, d. h. sich nicht mehr weiter ändernden Endkonfiguration. Manchmal kommt es auch zu periodischen zuständen, und selten bilden sich erstaunlich komplexe Muster in Raum und zeit heraus. Derartige Muster täuschen mit- unter gezielte Handlungen7 vor, und diese und andere erstaunliche Phänomene waren Anlass für die Bezeichnung Game of Life. Andere Beispiele für die Anwendung von Spielen auf viele Fragestellungen in der Evolutionsbiologie finden sich in der Monographie von SIGMUND (1995). Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 167–211 (2011) Peter Schuster 182 5 Als zelluläre Automaten versteht man räumlich diskrete dynamische Systeme, in welchen die Entwicklung der einzelnen zellen durch Regeln beschrieben wird. Die Regeln sind so gestaltet, dass der zustand einer zelle zum zeitpunkt t+1 vom eigenen zellzustand und von den zellzuständen in einer vorgegebenen Nachbarschaft zum zeitpunkt t abhängt. 6 Game of Life studiert man am besten durch Simulation auf dem eigenen Computer. Eine umfangreiche englische Dokumentation mit Anleitungen ist zu finden bei: http://www.bitstorm.org/gameoflife. Eine Webpage mit Er- klärungen und Beispielen in deutscher Sprache findet sich unter: http://www.mathematische-basteleien.de/ gameoflife.htm. 7 Ein Beispiel für vermeintlich zielorientiertes Handeln ist die Gosper Glider Gun.