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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

von Creeper, die es stilllegte und eliminierte. Creeper und Reaper gehen damit nicht nur Core War und den CPU-Simulationen von Evolutionsvorgängen voraus, sondern initiierten auch die unliebsame Entwicklung von Computerviren und -würmern sowie deren Abwehrsoftware (DEWDNEy 1985). Beim Computerspiel Core War (DEWDNEy 1984) gibt es keine spielenden Personen, son- dern es sind Computerprogramme, welche im Memory der CPU eines Computers situiert sind, sich durch Kopieren vermehren und dadurch miteinander um Speicherplatz konkurrieren. Das Ergebnis der Auseinandersetzung ist Selektion: Das sich am effizientesten vermehrende Com- puterprogramm bleibt schließlich als einziges über, ganz im Sinne von Selection of the fittest. Im Allgemeinen wird Core War nicht auf einem wirklichen Computer gespielt, sondern auf einer virtuellen Maschine simuliert. Die Programme für Core War werden in der Maschinen- sprache oder in einer abstrakten Assemblersprache Redcode geschrieben. Computerfachleute haben sich eine große Reihe von derartigen Programmen mit verschiedenen Strategien aus- gedacht, welche schließlich in eigenen Wettbewerben gegeneinander antraten (DEWDNEy 1987). Von Core War bis zur Implementierung von evolutionsartigen Prozessen in virtuellen Ma- schinen war es nur mehr ein kleiner Schritt. In die Computerprogramme musste Variation beim Kopiervorgang in Form von Mutation und/oder Rekombination eingebaut werden, wobei das hauptsächliche Problem darin bestand, dass eine hinreichend große zahl der Programm- varianten ‚lebensfähig‘, d. h. kopierfähig, sein musste, um einen Weiterbestand der Population in den zukünftigen Generationen sichern zu können. Ohne auf die Einzelheiten eingehen zu können, zählen wir hier nur zwei Ansätze zur Simulation von Evolutionsprozessen auf.9 Tom RAyS Tierra (RAy 1991, MAyNARD SMITH 1992, ADAMI 1995) war im Jahre 1990 eines der ersten Simulationssysteme, dessen Programme also evolutionsbefähigt waren, da sie kopieren und mutieren konnten. Die Programme werden als digitale Organismen betrachtet, welche um zwei Ressourcen, Computerzeit und Speicherplatz, konkurrieren. Im Vergleich zu den be- scheidendsten natürlichen evolvierenden Systemen ist die Komplexität der Tierraschen Or- ganismen natürlich sehr beschränkt. Das Interesse der Artificial Life Community (ADAMI 1998) an der direkten Simulation von Evolution am Computer war der Anlass zu einer ganzen Reihe von weiteren Entwicklungen, die auf Core War und Tierra aufbauten. Steen RASMUSSEN und Kollegen entwickelten Core- world, um das Entstehen und die Evolution von kooperativen chemischen Reaktionsnetzwer- ken studieren zu können (RASMUSSEN et al. 1990). Charles OFRIA, Chris ADAMI, Titus BROWN und Claus WILKE entwickelten durch Tierra inspiriert eine eigene Software mit dem Namen Avida für Studien der Evolution von Populationen digitaler Organismen (WILKE und ADAMI 2002, O’NEILL 2003). Dieses Computerprogramm wird seitdem zum Studium von allgemeinen Evolutionsvorgängen eingesetzt, insbesondere können spezifische Hypothesen oder mathe- matische Modelle getestet oder verifiziert werden. Als Beispiel sei der Befund erwähnt, dass stationäre Mutantenverteilungen bei kleinen änderungen von Mutationshäufigkeiten nach Art eines Phasenüberganges drastisch umstrukturiert werden können. Bei hinreichend großen Mu- tationsraten wird nicht immer der Genotyp mit dem höchsten Fitnessparameter selektiert, son- dern kann es auch ein Genotyp mit geringerem Fitnessparameter und höherer Gesamtrepro- Mit Mathematik und Computer auf Entdeckungsreisen in der Evolutionsbiologie Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 167–211 (2011) 185 9 Für ein weitergehendes Studium sei eine Monographie von John CASTI (1977) empfohlen; von Christian HEINE- MANN (2008) stammt ein illustrativer Aufsatz zu ‚Artificial Life‘.