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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Eine Schlüsselfrage betrifft die Fehlerfortpflanzung auf den verschiedenen modellhaften und realitätsnahen Fitnesslandschaften. Interessanterweise sind es von den oben genannten Bei- spielen nur die zwei glatten Landschaftsmodelle, die additive und die multiplikative Land- schaft, welche keine Fehlerschranken-artigen übergänge aufweisen. Neben der Single-Peak- Landschaft zeigen alle hinreichend zerklüfteten Modelle Fehlerschranken, welche bei zuneh- mender Streuung der Fitnesswerte erhalten bleiben. Die Position der Fehlerschranke bewegt sich mit zunehmender Bandbreite d zu kleineren Mutationsraten. Die Rolle von neutralen Ge- notypen in der Mutations-Selektionsgleichung ist von besonderer Bedeutung, da sie einen zu KIMURAS neutraler Theorie alternativen zugang zu den Mutantenverteilungen in Langzeitpo- pulationen vermittelt. Vor mehr als zwanzig Jahren konnte der Fall zweier neutraler Sequenzen Xi und Xj mit fi = fj im Grenzfall verschwindender Mutationsraten exakt gelöst werden (SCHUS- TER und SWETINA 1988). Das Ergebnis hängt vom Hammingabstand der beteiligten Genotypen ab und man erhält: – limp→0 ⅹ– i (p) = limp→0 ⅹ– j (p) = 0,5 für nächste Nachbarn (dH(Xi, Xj) = 1), – limp→0 ⅹ– i (p) = α, limp→0 ⅹ– j (p) = 1– α für übernächste Nachbarn (dH(Xi, Xj) = 2), – limp→0 ⅹ– i (p) = 1, limp→0 ⅹ– j (p) = 0 oder limp→0 ⅹ– i (p) = 0, limp→0 ⅹ– j (p) = 1 für alle übrigen Fälle (dH(Xi, Xj) ≥ 3), wie es der neutralen Theorie entspricht. Numerische Rechnungen auf realistischen Fitnesslandschaften mit Neutralität haben gezeigt, dass die genannten Resultate nicht nur im Grenzfall verschwindender Mutationsraten gelten, sondern fast exakt für den gesamten Bereich von p = 0 bis zur Fehlerschranke p = pcr gültig sind. Die beiden ersten äußern sich nachweisbar in Populationen insbesondere in Viruspopu- lationen dadurch, dass es keine eindeutige Konsensussequenz19 gibt. Gibt es mehr als zwei neutrale nächste Nachbarn, dann bildet sich ein stationärer Cluster von mengenmäßig stark gekoppelten Sequenzen aus. Die Konzentrationsverhältnisse werden durch den größten Ei- genvektor der Adjazenzmatrix bestimmt. Für die Virologie haben derartige Cluster Bedeutung, da sie ein genetisches Reservoir für die Entwicklung pathogener Eigenschaften im Wirtsor- ganismus darstellen. 5.2.3 Stochastische Simulation der evolutionären Optimierung Eine ganze Reihe von stochastischen Phänomenen hat ganz entscheidenden Einfluss auf das evolutionäre Geschehen. Dementsprechend gibt es auch eine beachtliche zahl von mathema- Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 167–211 (2011) Peter Schuster 198 und (ii) die multiplikative Landschaft, in welcher die Fitness mit der Entfernung von der Mastersequenz durch kon- sekutive Multiplikation mit einem Faktor kleiner 1 gebildet wird, mit fk = f0 · βk mit k = dH (X0, Xi). Für beide Fälle wurde im Bild l = 10 gewählt. (B) Das mittlere Bild zeigt die Single-Peak-Landschaft für l =10 und binäre Sequenzen (und damit gilt n = 1024). Es gibt nur zwei Fitnesswerte, f0 und fk für k ≠ 0. (C) Das unterste Bild zeigt schließlich eine Fitnesslandschaft, welche den aus der Molekularbiologie bekannten Fitnessverteilungen nahe kommt. Sie wurde aus der Single-Peak-Landschaft erzeugt durch überlagerung mit zufälligen Inkrementen, die innerhalb einer Band- breite d um fk herum zentriert sind. Die natürlichen Werte sind zwar nicht zufallsverteilt, aber sie korrelieren nicht mit dem Hammingabstand von der Mastersequenz, sodass eine überlagerung mit Beiträgen aus gleichverteilten zu- fallszahlen die tatsächlichen Verhältnisse viel besser wiedergibt als jeder systematische zusammenhang mit der Ham- mingdistanz. 19 Unter einer Konsensussequenz versteht man die gemittelte Sequenz einer Population. Bei einer Quasispezies ist die Konsensussequenz im allgemeinen (nahezu) identisch mit der Mastersequenz.