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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

tischen Ansätzen für die stochastische Analyse der Populationsdynamik (BLyTHE und MCKANE 2007). Hier beschränken wir uns auf Computersimulationen, welche von dem kinetischen An- satz der Evolution in einem chemischen Reaktionsnetzwerk ausgehen und aus diesem ein Sys- tem von Markov-Prozessen modellieren. Diesen stochastischen Prozessen entsprechen chemische Mastergleichungen, welche den Ausgangspunkt für die numerische Berechnung bilden (GARDINER 2009). Lösungen dieser Mastergleichungen können durch ein von Daniel GILLESPIE (2007) vorgeschlagenes und implementiertes Verfahren angenähert werden. Dabei wird ein Ensemble von einzelnen Computerläufen – üblicherweise Trajektorien genannt – Lauf für Lauf berechnet und statistisch ausgewertet. Für die stochastische Analyse wird das Mutations-Selektionssystem in einen Flussreaktor (CSTR = Continuously Stirred Tank Re- actor) eingebettet, in welchem das verbrauchte Material durch zufluss einer Vorratslösung er- gänzt und die durch Replikation erzeugte überzahl an RNA-Molekülen durch Abfluss ausgeglichen wird (FONTANA und SCHUSTER 1987, 1998, FONTANA et al. 1989). Die Anwendung des Gillespieschen Algorithmus auf die Mutations-Selektionsgleichung führt zu einigen wesentlichen Ergänzungen des aus den Differentialgleichungen erhaltenen Bildes. Die hier präsentierten Daten stammen von Ansätzen zur Optimierung von RNA-Struk- turen mit einer zielvorgabe (FONTANA und SCHUSTER 1998), die Ergebnisse waren bei Läufen ohne vorgegebene zielstrukturen (FONTANA et al. 1989) ganz ähnlich: – Der stochastische Prozess benötigt eine minimale Populationsgröße, um für hinreichend lange zeiten stabil zu bleiben und Evolution zu ermöglichen. In dem in Abbildung 9 be- schriebenen Computerexperiment liegt die kritische Molekülzahl bei ungefähr N = 20: Für N < 18 stirbt die Population fast mit Wahrscheinlichkeit 1 aus, wogegen für N > 22 fast immer das ziel erreicht wird. – Die einzelnen Computerläufe streuen sehr stark, und zwar sind sie sowohl hinsichtlich der zwischenzeitlich durchlaufenen Strukturen als auch hinsichtlich der Dauer der zielsuche und der zahl der Replikationen (Tab. 2) stark divergent: Keine zwei Läufe weisen zwi- schenstufen mit denselben Sequenzen und Strukturen auf. – Die Optimierung verläuft nicht kontinuierlich, sondern in Stufen. Schnelle Phasen mit ra- scher Annäherung an die zielstruktur wechseln mit zum Teil lange andauernden, quasi- stationären Perioden ab (Abb. 9). Die ausgeprägt starke Streuung zwischen den einzelnen Trajektorien findet eine zwangslose Erklärung durch die Analyse der Prozesse, welche auf den quasistationären Optimierungspla- teaus ablaufen. zwei verschiedene Szenarien wurden registriert: Mit Mathematik und Computer auf Entdeckungsreisen in der Evolutionsbiologie Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 167–211 (2011) 199 Tab. 2 Statistik der Computerläufe zur Optimierung der Sekundärstruktur von RNA-Molekülen. Angegeben sind die Ergebnisse der Trajektorienstatistik von 20 bis 1000 einzelnen Läufen. Die angegebene zeit ist die Echtzeit des Gille- spie-Algorithmus in der gleichen zeiteinheit wie die verwendeten Reaktionsgeschwindigkeitsparameter. Mittelwert und Standardabweichung wurden unter der Annahme einer an die Daten angepassten Log-Normalverteilung berechnet. Populationsgröße N zeit bis zur Erreichung des zieles zahl der Replikationen [107 ] Mittelwert Standardabweichung Mittelwert Standardabweichung 1000 900 + 1380 – 542 1,2 + 3,1 – 0,9 2000 530 + 880 – 330 1,4 + 3,6 – 1,0 3000 400 + 670 – 250 1,6 + 4,4 – 1,2 10000 190 + 230 – 100 2,3 +5,6 – 1,6 30000 110 + 97 – 52 3,6 +6,8 – 2,3 100000 62 + 50 – 28