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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

wärtigen. Wenn die beiden aber kooperieren und nicht gestehen, dann werden sie nach einiger zeit wegen der Aussichtslosigkeit des Gerichtsverfahrens aus der Untersuchungshaft entlassen (Abb. 10). Das Dilemma besteht nun darin, dass Kooperieren die beste Lösung für die beiden Gefangenen darstellt, aber mit dem Risiko behaftet ist, dass der Gegner nicht kooperiert und der Verlust besonders hoch wird. Daher ist es die sichere Lösung für jeden der beiden Spieler, nicht zu kooperieren, obwohl dabei ein schlechteres Ergebnis in Kauf genommen werden muss. Das Gefangenendilemma wird zu einem interessanten wissenschaftlichen Problem, wenn es eine endliche, aber unbekannte zahl von Auseinandersetzungen gibt. Für dieses als iteriertes Gefangenendilemma bekannte Problem wurde eine große zahl von verschiedenen Strategien erdacht (SIGMUND 1995, NOWAK 2006). Es seien nur zwei einfache, aber recht er- folgreiche Strategien erwähnt: – ,Wie Du mir, so ich Dir‘ – ‚Tit for tat‘ – besteht darin, sich im nächsten Schritt genau so zu verhalten, wie der Partner im vorigen Spiel; und – ‚Bei Gewinn beharren, bei Verlust wechseln‘ – ‚Win-stay, lose-shift‘ – wiederholt die letzte Strategie, wenn sie erfolgreich war, und wechselt bei Verlust. Es gab in der Vergangenheit richtige Turniere zwischen verschiedenen Strategien im iterierten Gefangenendilemma (AXELROD 2006). Der Einfluss der räumlichen Ausbreitung von er- folgreichen Strategien wurde ebenfalls ausführlich studiert (NOWAK und MAy 1992, NOWAK et al. 1994). Der Einfachheit halber benutzten einige der dafür herangezogen Computerrech- nungen diskrete zeitschritte und gleichzeitige Aktualisierung aller zellen des zugrundeliegen- den zellulären Automaten – ‚Synchronous updating‘. Eine sorgfältige Untersuchung (HUBERMAN und GLANCE 1993) hat gezeigt, dass drastische Unterschiede zwischen kontinu- ierlicher und diskreter zeit oder synchroner und asynchroner Aktualisierung auftreten können. Um methodische Artefakte zu vermeiden, ist es daher angezeigt, diskrete zeitschritte nur zu verwenden, wenn diese durch das biologische Umfeld vorgegeben werden, beispielsweise bei Modellen, welche Jahreszeiten kennen. Praktisch alle neueren Simulationen sind frei von die- sen Artefakten und haben das wichtigste Resultat voll bestätigt: Durch die räumliche Dimen- sion können Strategien, welche sonst aussterben würden, erhalten bleiben, und überlegene Strategien können verschwinden. Der Grund dafür besteht in erster Linie darin, dass die Aus- breitung von Mustern von den lokalen Verhältnissen abhängt, welche in der gesamten räum- lichen Domäne sehr unterschiedlich verteilt sein können. 6.   Perspektiven Die Evolutionsforschung der zukunft wird sich einigen Problemen widmen müssen, welche bis dato weitestgehend ausgeklammert waren. Die vordringliche Aufgabe ist eine neue Syn- these in der Biologie, welche das zurzeit explodierende molekulare Wissen mit den empiri- schen Befunden der makroskopischen Biologie vereint. Am besten passt zu dieser Aufgabe ein Satz von John MAyNARD SMITH, den er in Bezug auf die leidige Holismus-Reduktionis- mus-Debatte geprägt hat (MAyNARD SMITH 1986): „What should be the attitude of a biologist working on whole organisms to molecular biology? It is, I think, foolish to argue that we (the macroscopic biologists) are discovering things that disprove molecular biology. It would be more sensible to say to molecular biologists that there are phenomena that they will one day have to interpret in their terms.“ Mit Mathematik und Computer auf Entdeckungsreisen in der Evolutionsbiologie Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 167–211 (2011) 205