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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

bei Tier und Mensch bestimmt wird, wie bei der visuellen Wahrnehmung etwa das Sehen von Farben, und man untersucht dann auf der neuronalen Ebene die Prozesse am Tiermodell. Die experimentelle Herausforderung ist, Verhaltensweisen auf einer Granularitätsebene, also mit geringerer oder höherer Komplexität, zu bestimmen, die dann auf der neuronalen oder auch molekularen Ebene weiter verfolgt werden können. Ein positives Beispiel ist auch die Identi- fizierung der neuronalen Grundlagen des Lernens, die sich bereits bei sehr einfachen Tiermo- dellen untersuchen lassen. Das ethologische Modell stößt natürlich dann an seine Grenzen, wenn sich keine homologen Verhaltensweisen an Tiermodellen identifizieren lassen. Ein ty- pisches Beispiel hierfür ist die menschliche Sprache (POEPPEL und HICKOK 2004). Einzelne Komponenten der Sprache lassen sich vielleicht im Tiermodell simulieren, wie Aspekte der phonetischen oder auch der lexikalischen Kompetenz, doch scheinen syntaktische oder se- mantische Kompetenz, die uns erst zu sprachfähigen Wesen machen, dem Menschen vorbe- halten zu sein. zur Klasse der phänomenologischen Modelle gehören auch die technologischen Modelle, d. h. die Versuche, Psychisches in Artefakten zu simulieren (PFEIFER und BONGARD 2007). Es werden Phänomene des Psychischen identifiziert, für die dann technische Implementierungen gesucht werden. Außerordentlich erfolgreich sind Lern-Algorithmen oder auch solche der au- tomatischen Mustererkennung oder der Speicherung von Information, die weit über die menschlichen Möglichkeiten hinausgehen. Es ist aber deutlich, dass immer sehr einge- schränkte Teilmengen des menschlichen Geistes herausgegriffen werden müssen, um sie einer technologischen Lösung zuzuführen. Alle Versuche, eine „ganzheitliche“ Lösung zu finden, also den menschlichen Geist als Ganzes zu simulieren, sind gescheitert. Ob dies immer so bleiben wird, ist allerdings eine offene Frage, denkt man an die faszinierenden Entwicklungen in der Robotik, die ganz andere Ansätze verfolgen, indem beispielsweise auf die Algorithmi- sierung einzelner Komponenten der menschlichen Intelligenz verzichtet wird. Mit dem Begriff der „Intelligenz“ ist bereits das entscheidende Stichwort gefallen, dass man bei technologi- schen Modellen nämlich im Wesentlichen versucht, intelligentes Verhalten zu simulieren. Dass sich das Mentale aber nicht in „Intelligenz“ erschöpft, sollte auch selbstverständlich sein, wel- che Definition der Intelligenz man auch immer bevorzugt. So zeigt sich, dass eigentlich alle Modell-Bereiche, philosophische, topographische, psy- chophysische, linguistische oder phänomenologische Modelle jeweils ihre eigene Faszination haben, dass sie aber jeweils selektive Perspektiven ausmachen und damit notgedrungen nur einen Ausschnitt des Psychischen repräsentieren, der im Rahmen der gewählten Perspektive sichtbar wird. Diese Einschränkung gilt auch für die noch zu erwähnenden Modelle, nämlich das evolutionäre und das neuropsychologische Modell, die beide durch ihren biologischen, speziell neurobiologischen Bezug gekennzeichnet sind. 7.   Das evolutionäre Modell Bei der Betrachtung von Lebensprozessen und, wie sich zeigen wird, auch von Er-Lebens- prozessen ist es nützlich, weit in die Evolution zurückzugehen und sich der Frage zu widmen, welches eigentlich die Grundprinzipien des Lebens bereits auf den einfachsten Stufen des Lebens sind, wobei wir uns hier auf den Aspekt des „Verhaltens“ konzentrieren wollen. Das überraschende Ergebnis ist, dass sich bei allen Lebewesen unter einer bestimmten Perspek- tive jeweils entsprechende Prinzipien erkennen lassen. Welches ist diese Perspektive? Stellt Psychologie als eine auf Modelle angewiesene Angelegenheit ohne Taxonomie – eine Polemik Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 213–233 (2011) 225