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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Aminosäure in ihrer Umgebung im Protein durch eine Analyse abzuschätzen, die auf einer Statistik darüber basiert, welche Konformationen der Aminosäuren in welchen Proteinumge- bungen vornehmlich auftreten. Interessanterweise kann man solchen Statistiken einen ther- modynamischen Charakter geben, indem man die Häufigkeit des Auftretens einer Konfor- mation nach dem Boltzmann-Gesetz aus der Thermodynamik in den Wert einer Bewertungs- funktion übersetzt, die wie eine Energie aussieht. Je geringer der Wert der Bewertungsfunktion ist, desto häufiger ist die entsprechende Konformation beobachtet worden, als desto geringer wird also auch ihre freie Energie angenommen. Die resultierende Methodik ist eigentlich ver- gleichend, weil man Schlüsse aus bereits beobachteten molekularen Strukturen zieht. Sie hat aber das Aussehen einer naturwissenschaftlichen Methode, da man mit Gleichungen operiert, die der Thermodynamik entspringen. Die Methode, die zur Optimierung der Bewertungsfunk- tion eingesetzt wird, ist die der Energieminimierung (SIPPL 1993). dieses Verfahren, das man Ähnlichkeitsbasierte Proteinstrukturvorhersage nennt (DUN- BRACK 2007), ist ausgesprochen erfolgreich. Natürlich hängt der Erfolg des Verfahrens im Einzelnen davon ab, wie sehr sich das Zielprotein und das Templatprotein unterscheiden. Ab einer Übereinstimmung der Proteinketten in wenigstens 70 % derAminosäuren kann die Struk- tur des Proteins mit großer Genauigkeit modelliert werden. Bei Sequenzähnlichkeiten über 30–50 % ist die Proteinstruktur im Großen und Ganzen mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig. Unterhalb einer Sequenzähnlichkeit von 25 % kann die Strukturähnlichkeit von Zielprotein und Templat nicht mehr gewährleistet werden. Hier ist es eine große Herausforderung, ein Templat zu finden, das dem Zielprotein in der Struktur ähnelt. Heutige Verfahren ermöglichen aber auch schon Strukturvorhersagen deutlich unterhalb der 25%-Grenze. In diesem Falle kön- nen nicht die Koordinaten aller Atome bestimmt werden, sondern nur der prinzipielle Verlauf des Rückgrats des Proteins (SOMMER 2007). die Ähnlichkeitsbasierte Modellierung funktioniert natürlich nur dann, wenn ein dem Ziel- protein ähnliches Templatprotein in seiner Struktur bekannt ist. Ist dies nicht der Fall, so muss die Struktur des Zielproteins de novo, d. h. ohne Vorlage, modelliert werden. Bis vor etwa 10 Jahren wurde dies ausschließlich mit naturwissenschaftlichen Methoden, d. h. mit Energie- minimierung, versucht. diese Versuche waren nicht erfolgreich. Vor etwa 10 Jahren wurde der ähnlichkeitsbasierte Ansatz auf die De-novo-Proteinstrukturvorhersage übertragen. da in diesem Fall keine Vorlage für das gesamte Protein vorliegt, werden Teile des Proteins, d. h. kleine Sequenzabschnitte, ähnlichkeitsbasiert modelliert und die Modelle dann zusammenge- fügt. Eine geeignete, sorgfältig ausgeklügelte heuristische Bewertungsfunktion steuert den Prozess. diese Innovation hat dazu geführt, dass heute auch die De-novo-Strukturvorhersage in den Bereich des Möglichen gerückt ist. Auch hier bestimmen relevante Charakteristiken des zu modellierenden Proteins den Erfolg der Methode. Insbesondere ist das Protein dann schwer zu modellieren, wenn seine Struktur viele Kontakte von Aminosäuren enthält, die in der Proteinkette weit voneinander entfernt sind, weil dies globale Bewegungen des Protein- rückgrates zur Formierung der Struktur erfordert (BONNEAU 2007). Wie funktioniert das Leben? Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 11–44 (2011) 25