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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Jenseits solcher Studien könnte man sich BCI-Messgeräte für spezifische Hirnzustände in zu- künftigen Autos, z. B. Gefahrguttransportern, vorstellen – vorausgesetzt, das EEG-Sensorpro- blem wäre gelöst –, um Ablenkungen des Fahrers intelligent so zu vermeiden, dass das Fahrerhirn in kritischen Fahrsituationen nicht noch stärker belastet wird und somit das Fahren insgesamt sicherer gestaltet werden kann. 5.3 Monitoring des mentalen Zustandes Bei der Optimierung eines Benutzerinterface-Designs oder ganz allgemein bei der Arbeits- prozessoptimierung kann der gemessene mentale zustand eines Nutzers nützlich sein. Diese Information kann nicht nur zur Verbesserung von BCI-Anwendungen eingesetzt werden, son- dern auch für die Optimierung industrieller Produktionsumgebungen sowie die Benutzer- schnittstellen von Autos und anderen Anwendungen. Beispiele interessanter Hirnzustände sind der Grad der Aktivierung, Müdigkeit, Konzentrationsfähigkeit, das Auftreten von Emotionen, kognitive Belastung oder andere psychische Variablen, deren Hirnaktivitäten einer Messung durch EEG zugänglich sind. Die Verbesserung suboptimaler Benutzerschnittstellen könnte die Anzahl kritischer mentaler zustände eines Benutzers signifikant reduzieren. Erhoffte Folgen einer solchen Verbesserung wären Produktionszuwächse, eine Reduktion von Fehlern und Un- fällen sowie die Frustvermeidung der Nutzer. Typischerweise werden dazu zunächst alle In- formationen über den zu untersuchenden mentalen zustand in einer Offline-Analyse der Daten gesammelt. Das Ergebnis dieser Analyse führt in der Regel zu einem Redesign der Aufgabe oder der Benutzerschnittstelle. Weiterhin ist natürlich ein Echtzeitmonitoring des mentalen zustandes während der Ausführung einer Aufgabe wünschenswert. Herkömmliche Methoden zur Messung des mentalen zustandes und zur Nutzerbewertung sind Fragebögen, aufgaben- bezogene Videoüberwachung sowie Fehleranalyse. Jedoch sind Fragebögen nur begrenzt ver- lässlich, da die Antworten sehr stark von Subjektivität geprägt sind. Hinzu kommt, dass Fragebögen die interessanten Merkmale nicht in Echtzeit, sondern nur retrospektiv bestimmen können; außerdem sind sie intrusiv, da sie mit der Aufgabe interferieren. Selbst das Monitoring von Blinzeln oder Augenbewegungen gibt nur einen indirekten und sehr beschränkten zugang zum mentalen Nutzerzustand. Obwohl das Monitoring der Nutzerfehler ein direkteres Maß ist, werden kritische Benutzerzustandsänderungen nur post-hoc detektiert; weder eine Fehler- antizipation noch entsprechende Maßnahmen zur Fehlervermeidung sind möglich. Als neuen Ansatz schlagen wir daher vor, EEG-Signale zur Analyse mentaler Nutzerzustände mittels etablierter BBCI-Klassifikationsmethoden zu explorieren. So können relevante Hirnsignale von der Hintergrundaktivität separiert werden, um eine nicht-intrusive Echtzeitevaluation men- taler zustände zu ermöglichen. In einer Pilotstudie (MüLLER et al. 2008) wurde diese Idee mit vier Probanden für Akti- vierungsmonitoring getestet. Das experimentelle Paradigma stellte ein Sicherheitsszenario nach: Bei einer simulierten Gepäckdurchleuchtung mussten Versuchspersonen die in einigen Koffern „versteckten“ Waffen aufspüren – eine Aufgabe, die lang anhaltende Konzentration erfordert. Wie beim Standard-BCI zur Kommunikation muss das BCI-Monitoringsystem für das Individuum kalibriert werden, um dann mentale zustände im zusammenhang mit Auf- merksamkeit, Aufgabeneinbindung sowie aufkommende hohe bzw. niedrige Fehlerzahl des Nutzers vorherzusagen (siehe Abb. 11). Forschen an einer neuen Schnittstelle zum Gehirn: Das Berliner Brain-Computer-Interface Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 235–257 (2011) 251