Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

7.   Zusammenfassung und Ausblick Auch ohne, dass der Diskurs über das Verhältnis von Geist und Gehirn im Konsens aller natur- und humanwissenschaftlichen Disziplinen vollendet wäre, ist eine Interaktion von Geist und Maschinen schon heute pragmatisch operationalisierbar: Ohne auf die biologischen Effektor- wege von Rückenmark, Nerven und Muskeln zurückgreifen zu müssen, ermöglichen Brain- Computer-Interfaces (BCI) zumindest ansatzweise die Umsetzung motorischer Intentionen ihres Nutzers in technische Steuersignale. Diese „flüchtigen Gedanken“ zu erfassen, erfordert die Echtzeitanalyse zerebraler Aktivitätsindizes mit hoher zeitlicher Auflösung, so dass die Vielzahl der in den letzten Jahrzehnten invasiv wie nichtinvasiv beschriebenen elektrophy- siologischen Kenngrößen in BCIs eine innovative Anwendungsdomäne findet. Der Einsatz von modernen Methoden des maschinellen Lernens für BCI – wie von der BBCI-Gruppe vorangebracht – ist dabei von entscheidender Bedeutung, zum einen für hohe Informationsübertragungsraten und zum anderen für eine robuste BCI-Benutzbarkeit vom ers- ten Tage an (BLANKERTz et al. 2007, 2008a). Aufgrund der Platzbeschränkung konnte nicht detailliert auf die mathematischen Aspekte des maschinellen Lernens und der Signalverarbei- tung eingegangen, sondern nur grundsätzliche Prinzipien vorgestellt werden. Ein Fokus war die breite Anwendungsvielfalt der Neurotechnologie auch jenseits von Re- habilitation, denn die Bedeutung und das Potential der BCI-Technologie zur Verbesserung der Mensch-Maschine-Interaktion wird noch unterschätzt. Der Einsatz eines BCI-Systems als neuer Kanal zusätzlich zu den vorhandenen Interaktionsmöglichkeiten eröffnet Anwendungen wie das Monitoring mentaler zustände (KOHLMORGEN et al. 2007, MüLLER et al. 2008), Spiele (KREPKI et al. 2007a, b, TANGERMANN et al. 2008), Navigation in virtuellen Welten (LEEB et al. 2007), Fahrzeugsicherheit (KOHLMORGEN et al. 2007), schnelle Bildanalyse (GERSON et al. 2006) sowie verbesserte Benutzermodellierung. Bislang sind in all diesen Studien nur Nach- weise einer Machbarkeit angetreten worden. Der Weg bis hin zu innovativen Produkten wird sicherlich noch zeit benötigen; der Abschnitt 5.2 zeigt jedoch, dass Aufmerksamkeitsmonito- ring und Neuro-Usability bereits jetzt schon den Weg aus dem Labor heraus gefunden haben und somit das Monitoring komplexer kognitiver zustände seine Nützlichkeit ausspielen konnte. Mit dem Einsatz von BCI als Echtzeitmessgerät komplexer mentaler zustände wird es möglich, die gewonnene zusatzinformation nutzbringend dafür einzusetzen, dass die Mensch-Maschine-Interaktion eine neue adaptive antizipatorische Dimension bekommt. In zukunft muss das BCI-Feld noch eine Reihe fundamentaler Probleme lösen4 : (a.) Ver- besserung der EEG-Messtechnik über Gelelektroden hinaus, hin zu günstigen und mobilen Systemen (vgl. POPESCU et al. 2007) mit ästhetischem Design, (b.) Verständnis des Phänomens BCI-Analphabetismus (BLANKERTz et al. 2010b), (c.) bessere und robustere Signalverarbeitung und maschinelle Lernmethoden, die auch bei hoch nichtstationären Signalstatistiken robust schätzen können (DORNHEGE et al. 2007, VON BüNAU et al. 2009), (d.) höhere ITR für nichtin- vasive BCI-Systeme, und (e.) die Entwicklung überzeugender industrieller Anwendungen auch außerhalb der Rehabilitationswissenschaften. Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 235–257 (2011) Klaus-Robert Müller, Benjamin Blankertz, Michael Tangermann und Gabriel Curio 254 4 Erste Vorstöße in die entsprechenden Richtungen sind in zitaten angemerkt.