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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

(1.) Proportionalität: Schon die begriffsgeschichtliche Herkunft von ‚Modell‘ aus dem latei- nischen ‚modulus‘ – der Verkleinerungsform von ‚modus‘: Maß – weist in die Richtung von etwas ‚Maßstäblichem‘. Es geht um eine ähnlichkeit in der Form, in der Struktur, in der Proportion, demgegenüber die objekthaften, also substanziellen Gesichtspunkte zu- gunsten der relationalen zurücktreten. Eine solche ‚ähnlichkeit in der Form‘ nannten die Griechen: ‚analogia‘. (2.) Handlungsbezug: Diese ähnlichkeit darf allerdings nicht missverstanden werden: Sie ist nicht ‚von Natur aus gegeben‘, sondern wir machen etwas zu einem Modell. Der Modell- charakter ist in einem Urteilsakt fundiert.16 Nur für handelnde Subjekte und im zusam- menhang ihrer praktischen oder theoretischen Interessen, kann etwas zu einem bestimmten zeitpunkt ein Modell sein. Modelle rechtfertigen sich durch die Tätigkeiten, die wir mit und an ihnen vollziehen können. (3.) Vereinfachung: Ein durchgängiger zug beim Modellieren ist die Reduzierung und Ver- kürzung. Es gibt zwischen dem, was Modell ist, und dem, wofür bzw. wovon es Modell ist, stets ein Komplexitätsgefälle: Das Modell hat kleiner, überschaubarer, einfacher, abs- trakter zu sein. Allerdings zielt diese Vereinfachung und Veranschaulichung zumeist auf das ‚Wesentliche‘. Daher erfüllen Modelle oftmals die Funktion einer Idealisierung. (4.) Autonomie: Etwas kann Modell für etwas oder von etwas sein, sowohl als Vorbild, wie als Nachbild fungieren. zumeist allerdings verbinden sich der normativ-vorschreibende und der abbildlich-beschreibende Aspekt. Unerachtet dieser Bezugnahmen steht außer Frage, dass das Modell eine eigenständige Realität bildet, innerhalb deren in freier Ge- staltung etwas ausprobiert und erkundet werden kann.17 Diese vier Aspekte sind nur ein Schattenriss der Attribute, die für modellbildende Tätigkeiten charakteristisch sind. Doch im Fluchtpunkt dieser Aspekte zeichnet sich eine für Modellie- rungen weichenstellende Einsicht ab, die auch eine Grundlage ist, um über computergenerierte Simulationen nachzudenken: Innerhalb der Wissenschaften können Modelle als Werkzeuge des Erkenntnishandelns eingesetzt werden. Wir wollen uns nun der dritten Quelle der Simu- lation zuwenden. 4.3 Visualisierung Längstens ist das Bild aus der begrenzten Domäne der Kunstgeschichte und Kunstwissenschaf- ten herausgetreten, denn es interessiert nicht mehr nur als Kunstbild, vielmehr als ein integraler Bestandteil unserer ‚Wissenskünste‘. Und so vollzieht sich gegenwärtig eine überaus spannende Neuorientierung auf dem Gebiet der Bildreflexion: das Bild wird als ein Erkenntnisinstrument und als ein Kommunikationsmittel anerkannt.18 Auf den ‚Instrumentcharakter‘ der Visualisie- rung kommt es uns hier an. Bilder in den Wissenschaften dienen nicht nur der Illustration von Erkenntnissen; sie sind nicht nur „afterimages of verbal ideas“19 , sondern sind an der Gewin- nung, Formung, Ordnung und Rechtfertigung wissenschaftlicher Einsichten genuin beteiligt.20 PLATON ist überaus hellsichtig, wenn er im Liniengleichnis vermutet, dass wissenschaftliche Simulation und Erkenntnis. Über die Rolle computergenerierter Simulationen in den Wissenschaften Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 303–322 (2011) 311 16 MAHR 2003, S. 80. 17 Die relative Autonomie von Modellen betonen MORRISON und MORGAN 1999. 18 zur Rolle wissenschaftlicher Visualisierungen: HEINTz und HUBER 2001, HESSLER und MERSCH 2009, KEMP 1997. 19 TOPPER 1996, S. 15. 20 HESSLER und MERSCH 2009, S. 11.