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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Es ist deutlich schwieriger, regulatorische Netze zu modellieren als metabolische Netze. Das ist in der großen Diversität regulatorischer Netze begründet, sowie darin, dass wesentlich mehr Vorkenntnisse zu metabolischen als zu regulatorischen Interaktionen existieren. Computer- modellierungen regulatorischer Netze betreffen in der Regel Teilaspekte wie die Präferenz be- stimmter Transkriptionsfaktoren für die Bindung an bestimmte Promotoren – ein Protein- DNA-Docking-Problem, das vornehmlich mit vergleichenden Methoden gelöst wird. Auf der- selben Ebene gibt es z. B. Software, die zu berechnen sucht, welche Abschnitte der DNA an wesentliche Proteine des Chromatins, die Histone, binden. Bioinformatikmethoden zur Ana- lyse und Vorhersage von Phänomenen der RNA-Interferenz befinden sich heute in intensiver Entwicklung. Der Netzwerkaspekt der Thematik wird auf verschiedenen Ebenen modelliert – einschließlich Boolescher Netzwerke, Differenzialgleichungen und stochastischer Modellie- rung. Ein Problem bei solchen Modellen ist, dass sie im Allgemeinen dahingehend optimiert werden, die gegebenen experimentellen Daten möglichst genau wiederzugeben, und dass ihre interne Struktur daher nicht die (häufig unbekannten) molekularen zusammenhänge wider- spiegeln muss. Im besten Falle würde man hoffen, dass die interne Struktur des Modells sich in der Tat auf molekulare Träger abbilden lässt. In diesem Fall würde das Modell Hinweise auf die biologische Struktur geben und die Konfiguration weiterer Experimente nahelegen, diese Struktur aufzudecken. Leider steht die interne Struktur vieler Modelle der biologischen Realität nicht nahe. Es führen eben viele Wege nach Rom – die Wiedergabe der experimen- tellen Daten lässt sich mit Modellen verschiedenartiger Strukturen erreichen. Dabei sind alle bis heute erzeugten Modelle regulatorischer Netze lokaler Natur. Die Gewinnung eines zell- weiten überblicks über die Organisation regulatorischer Netze steht noch in weiter Ferne, d. h., ein umfassendes Bild, das etwa Abbildung 12 entspricht, ist für regulatorische Netze nicht verfügbar (LEE und TzOU 2009, zHANG 2007). 4.3 Signaltransduktionsnetze Mit diesem Begriff bezeichnet man Proteininteraktionsnetze, die der Kommunikation inner- halb der zelle und zwischen zellen dienen. Sie werden manchmal als das Nervensystem der zelle bezeichnet und häufig in den größeren Kontext regulatorischer Netze gestellt, weil die Kommunikation, die sie bewirken, oft regulatorische Aktionen nach sich zieht. Abbildung 1B zeigt ein solches Netz für den programmierten zelltod. Natürlich greifen letztendlich alle drei Arten von biochemischen Netzwerken intensiv ineinander und bilden ein in sich verwobenes Ganzes. Die Methodik bei der dynamischen Modellierung von Signaltransduktionsnetzen äh- nelt der bei regulatorischen Netzen. Darüber hinaus gibt es statische Analysemethoden, die die Struktur solcher Netzwerke untersuchen. Es wurden Module in ihnen identifiziert, die einen ähnlichen Charakter haben wie die Gatter in einem elektronischen Schaltkreis: Sie sam- meln, operieren auf und verteilen Information. Ferner können Proteinnetze mit globalen Eigenschaften, wie der statistischen Verteilung der Größe von Knotennachbarschaften, charakterisiert werden (HASSELDINE et al. 2007). Die Modellierung biochemischer Netze ist heute in gewisser Weise der Schwerpunkt bei der Modellierung biologischer Systeme. Die Forschung ist über die Analyse der Bausteine biologi- scher Systeme hinausgegangen (obwohl diese Analyse natürlich bei weitem noch nicht abge- schlossen ist) und sucht, durch Analyse der biochemischen Netzwerke zu globaleren Einsichten in die Funktion der Systeme zu gelangen. Dieser theoretische Anspruch, zusammen mit der zell- weiten Generierung entsprechender Daten, wird auch als Systembiologie bezeichnet. Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 11–44 (2011) Thomas Lengauer 34