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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Nun lassen Sie mich abschließend noch eine Bemerkung zur Entwicklung des Gehirns machen. Die Schizophrenie bricht interessanterweise meist gegen Ende der Adoleszenz aus. Man muss sich also fragen, warum sie sich gerade in dieser späten Entwicklungsphase zum ersten Mal manifestiert. Wir haben deshalb eine Entwicklungsstudie durchgeführt und genau die gleichen Untersuchungsverfahren angewandt, wie zuvor beschrieben, allerdings jetzt bei verschiedenen Probanden von 6 bis 21 Jahren. zunächst waren die Befunde wie erwartet. zwischen 6 und 16 Jahren etwa werden die Schwingungen schneller, die Synchronisation wird präziser, und die Netzwerke werden umfassender. Plötzlich aber bricht die Synchronisation zusammen. In der späten Adoleszenz ändern sich die zunächst relativ gut entwickelten Netzwerke, die Syn- chronisation nimmt ab, und kurz vor dem Erwachsenwerden konfiguriert sich ein neues Netz- werk. Es wird fokaler, und die Synchronisation wird präziser. Es gibt also spät in der menschlichen Entwicklung noch einmal eine Umbauphase im Gehirn. FREUD hat diese zweite späte Entwicklungsphase die zweite Chance genannt. Was man in der frühen Prägung verpasst hat, so FREUD, kann man in dieser Phase vielleicht noch nachholen. Es gibt also in der Ent- wicklung einen Bruch, einen Phasenwechsel, der mit einer Rekonfiguration der Netzwerke einhergeht, die für das Erwachsenwerden notwendig scheint. Bei den Menschen, die an Schi- zophrenie erkrankten, ist dieser übergang offenbar nicht möglich. Warum wissen wir noch nicht, aber wir wissen jetzt zumindest, wo man verstärkt suchen sollte, wenn man dieser ge- heimnisvollen Krankheit auf die Spur kommen will. Dies zum Schluss, damit nicht der Ein- druck bleibt, Hirnforscher verwendeten Steuergelder nur, um ihre Neugier zu befriedigen. Literatur GRAy, C. M., and SINGER, W.: Stimulus-specific neuronal oscillations in orientation columns of cat visual cortex. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 86, 1698–1702 (1989) Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Wolf SINGER Max-Planck-Institut für Hirnforschung Deutschordenstraße 46 60528 Frankfurt (Main) Bundesrepublik Deutschland Tel.: +49 69 96769218 Fax: +49 69 96769327 E-Mail: singer@mpih-frankfurt.mpg.de Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 325–352 (2011) Wolf Singer 352