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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

              Vorwort Die Möglichkeiten der digitalen Informationstechnik haben nicht nur unserenAlltag allgemein, sondern vor allem auch die Wissenschaften revolutioniert. Standen früher Wissenschaften auf den fundamentalen Säulen Theoriebildung und Experiment, so hat sich in den letzten Jahr- zehnten eine dritte gleichberechtigte Komponente herausgebildet, eben die der digitalen Mo- dellierung, Simulation und Visualisierung von Strukturen und Prozessen. Diese dritte Säule ermöglicht zugang zu Aspekten des Untersuchungsgegenstandes, die weder dem Experiment noch der Theoriebildung zugänglich sind. zum einen wird eine Modellierung auf Raum- und zeitskalen ermöglicht, die sich der allgemeinen Beobachtung entziehen. Im Raum reichen die Skalen von den Nanoskalen atomarer Vorgänge bis zu kosmologischen Dimensionen. In der zeit ist die Spanne der überdeckten Skalen ebenso groß. Geeignete Visualisierung hebt die für die Untersuchung wichtigen Dinge vor einer oft un- überschaubaren Fülle von Details hervor oder projiziert in hochdimensionalen Räumen ange- siedelte Strukturen oder Prozesse in die Welt unserer Anschauung. Der Blick in die zukunft ist dabei ein ganz wesentliches Merkmal von Modellierung: Man möchte mit möglichst hoher Sicherheit vorhersagen, wie sich der Untersuchungsgegenstand verhält, sei es das Protein, das an einen Wirkstoff binden soll, ein Stern im zerfallsprozess oder die ökonomischen Parameter einer Volkswirtschaft in Abhängigkeit von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Variablen. Die Möglichkeit der Optimierung von Entwürfen ohne die Notwendigkeiten der Realisierung der einzelnen Entwurfsalternativen spielt in den Ingenieurwissenschaften eine zentrale Rolle. Aber nicht nur die Technik- und Naturwissenschaften, sondern auch die Lebens-, die Sozial- und Kognitionswissenschaften, ja sogar Kunst und Archäologie sind immer stärker durch eine Informatisierung gekennzeichnet, welche als wesentliche Komponenten die digitale Model- lierung und Simulation hat. In allen diesen Wissenschaften hat die neue Technologie eine signifikante Bedeutung, ei- nige Disziplinen werden durch sie geradezu revolutioniert. Darum hat die Leopoldina ihre Jahresversammlung 2009, die vom 2. bis 4. Oktober 2009 in Halle (Saale) stattfand, dem Thema „Computermodelle in der Wissenschaft – zwischen Analyse, Vorhersage und Sugges- tion“ gewidmet. Die Vorträge beleuchteten das Thema der Tagung aus der Sicht vieler Wis- senschaftsdisziplinen. – Vorträge aus den methodischen Disziplinen beschreiben die unterliegenden Methoden und diskutieren, wozu sie uns befähigen und wo ihre Grenzen liegen. – Vorträge aus Wissenschaftsdisziplinen, die die neue Technologie intensiv verwenden, be- richteten über die benutzten Methoden, die mit ihnen erzielten Resultate sowie ihre Mög- lichkeiten und Grenzen. – In vielen der Vorträge, und schwerpunktmäßig in einigen reflektierenden Vorträgen, wird die Technologie in einen größeren zusammenhang gestellt. Wie ist sie entstanden? Auf wel- che Weise ergänzt sie die klassischen Säulen der Wissenschaft – Theorie und Experiment? Wie suggestiv sind die erzeugten Modelle, und wie verändern sie die Sicht der Wissen- schaftler auf die Welt? Wo liegen die Unterschiede zwischen Modell und Wirklichkeit, und welche Risiken entstehen aus einer Verwechslung zwischen beiden? Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 7–8 (2011) 7