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Nova Acta Leopoldina Band 110 Nummer 377

Aufbau von Modellen des Klimasystems wider, die eher aus teils sogar separat entwickelten Modulen der atmosphärischen zirkulation, der ozeanischen zirkulation und der Landoberflä- chenprozesse und Vegetationsdynamik bestehen. In der neueren Literatur wird neben dem Begriff des Klimasystems auch der Begriff des Erdsystems verwendet, um die Wechselwirkung der unbelebten, physischen Welt mit der be- lebten Welt zu betonen. Dies schließt insbesondere den Einfluss des Menschen auf das Klima und die Wechselwirkung des Menschen mit seiner Umwelt ein (SCHELLNHUBER 1999, CLAUS- SEN 1998, 2001). In der älteren russischen Literatur wird das belebte Klima- oder Erdsystem auch als Biosphäre, als mit Leben erfüllter Raum der Erde bezeichnet (VERNADSKy 1926, 1997). Oft werden die Begriffe Klimasystem und Erdsystem synonym benutzt. In der Tat wird die Definition des Klimasystems oder des Erdsystems nicht aus übergeordneten Prinzi- pien abgeleitet, sondern ist als eine vorempirische Relevanzentscheidung zu interpretieren. Im Folgenden werden Modelle des Klima- oder Erdsystems einfach als Klimamodelle be- zeichnet. 3.   Klimamodelle – eine kleine Typologie Modelle beschreiben, um STACHOWIAK (1973) sinngemäß zu zitieren, die Natur mit ad hoc vorgegebener, am Untersuchungsziel orientierter Reduktion der Komplexität des Originals. Um die Natur des Klima- oder Erdsystems modelltheoretisch zu erfassen, werden in der Kli- maforschung konzeptionelle Gedankenmodelle, physikalische und mathematische Modelle genutzt. ARISTOTELES’ (350 v. Chr.) Meteorologia oder VON HUMBOLDTS (1845) Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung können als vermutlich bekannteste, umfassendste Gedan- kenmodelle des Klimasystems gelten. Gedankenmodelle zeichnen sich dadurch aus, dass kau- sale Beziehungen zwischen verschiedenen Beobachtungen qualitativ in Worten und/oder geografischen Karten (z. B. die Berghausschen Atlanten zum Kosmos) beschrieben werden. Gedankenmodelle werden heute oft im zusammenhang mit der Interpretation paläoklimato- logischer Befunde verwendet (siehe z. B. HAUG und TIEDEMANN 1998). Als Beispiele physikalischer Modelle lassen sich rotierende Bassins oder Tanks (siehe z. B. GREENSPAN 1969) anführen, in denen die zirkulation einer Flüssigkeit als Näherung für atmosphärische und ozeanische Strömungen untersucht wird, oder Windtunnel, welche die Grenzschichtströmung in der Atmosphäre simulieren. Physikalische Modelle erlauben unter Berücksichtigung bestimmter Skalierungsgesetze die Durchführung klar definierter, kontrol- lierter Experimente, die in der Natur nicht möglich sind. In diesem Beitrag werden mathematische Modelle des Klima- oder Erdsystems – kurz: Klimamodelle – diskutiert. Mathematische Klimamodelle bestehen aus dynamischen und dia- gnostischen Differentialgleichungen. Diese Gleichungen können im Allgemeinen aus physi- kalischen Gesetzen der Erhaltung von Energie, Impuls und Masse gasförmiger, flüssiger und zäher, fließbarer Medien abgeleitet werden (z. B. PEIXOTO und OORT 1992). Neben den de- duktiven Gleichungen gibt es auch induktive Elemente, z. B. in den ökosystemaren Kompo- nenten der Klimamodelle, die aus empirischen Beziehungen hergeleitet werden. Aufgrund der Komplexität der mathematischen Gleichungen werden die Modellgleichun- gen numerisch gelöst. Dazu werden die Gleichungen diskretisiert, d. h., die kontinuierlichen Räume des Klima- oder Erdsystems (wie Atmosphäre, Ozeane, Vegetationsdecke, …) werden Von der Arrheniusschen Energiebilanz zum Erdsystemmodell Nova Acta Leopoldina NF 110, Nr. 377, 83–97 (2011) 87