Prof. Dr. Paul Julian Weindling
- Fachbereich Wissenschafts- und Medizingeschichte
- Ort Oxford, Vereinigtes Königreich
- Wahljahr 2014
Forschung
Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Eugenik, Medizin im Nationalsozialismus, medizinische Menschenversuche, Zwangsforschung, Entwicklung von Ethik in der Medizin
Paul Weindling ist ein britischer Medizinhistoriker. Er gilt weltweit als führende Kapazität für die Geschichte der Wissenschaften und der Medizin im Nationalsozialismus. Ein Schwerpunkt seiner Forschung sind medizinische Menschenversuche im Nationalsozialismus (NS) und die Entwicklung von Ethik in der Medizin. Ein besonderes Anliegen ist ihm, das Leid und die Geschichte der Opfer der NS-Zwangsforschung sichtbar zu machen.
Er hat grundlegende Studien verfasst zur Entstehung der Eugenik als wissenschaftlich legitimierte Rassenhygiene im NS-Staat. Er analysierte die eugenischen Bewegungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, ihre Verbindungen zur internationalen Philanthropie, wie zum Beispiel zur Rockefeller Foundation in den USA, und ihren Einfluss auf die Gesundheitspolitik.
Ein Anliegen ist ihm, Opfer von medizinischen Menschenversuchen im Nationalsozialismus sichtbar zu machen, ihr Leid und ihre Lebensdaten zu dokumentieren. Mit seinen Untersuchungen zum Nürnberger Ärzteprozess hat er die Perspektive der Opfer rekonstruiert und sich mit der Strafverfolgung der NS-Zwangsforschung beschäftigt.
Er hat die Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Institute, den heutigen Max-Planck-Instituten, im Nationalsozialismus aufgearbeitet und das Projekt „Hirnforschung an Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Kontext nationalsozialistischer Unrechtstaten“ mit geleitet. Darin erforschte er die Herkunft von Hirngewebeproben, die von Opfern des NS-Regimes stammen. In akribischer Recherchearbeit hat das Team um Paul Weindling die Lebensdaten von mehr als 30.000 Opfern der NS-Zwangsforschung zusammengetragen und dokumentiert sowie Daten von Verantwortlichen und Institutionen.
Die Daten sind zugänglich und stehen der weiteren Forschung zur Verfügung – in der Datenbank „Victims of Biomedical Research under National Socialism“, angegliedert an die Leopoldina. Paul Weindling hat mit seiner Forschung erstmals eine empirische Grundlage und systematische Darstellung der NS-Zwangsforschung geschaffen sowie die verschiedenen Opfergruppen und das verursachte Leid umfassend dokumentiert.
Werdegang
- seit 1998 Professor für Medizingeschichte, Oxford Brookes University, Oxford, UK
- 1978-1998 Wellcome Unit for the History of Medicine, University of Oxford, Oxford, UK
- Promotion, University College London, London, UK
- Studium der Geschichte, University of Oxford, Oxford, UK
Projekte
- 2017-2025 Leiter, Projekt „Hirnforschung an Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Kontext nationalsozialistischer Unrechtstaten“, MPG, München
- 2012-2016 Principal Investigator, Programme Grant „Subjects’ Narratives of Medical Research in Europe, ca. 1940-2001“, Wellcome Trust, London, UK
- 2009-2014 Projekt „Eugenik, Rasse und Psychiatrie im Baltikum 1900-1945“, Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
- 2009-2014 Principal Investigator, Research Project “Health Care in Public and Private”, Wellcome Trust, London, UK
- 1999-2004 Mitglied, Forschungsgruppe „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in der Zeit des Nationalsozialismus“, MPG, München
Auszeichungen und Mitgliedschaften
- 2020 Ehrendoktorwürde, Universität Freiburg, Freiburg, Schweiz
- 2015 Anneliese Maier-Forschungspreis, Alexander-von-Humboldt-Stiftung, Bonn
- seit 2015 Ehrenmitglied, DGPPN
- seit 2014 Mitglied, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina